Neofaschismus oder „nur“ Vandalismus auf dem jüdischen Friedhof von Arloff (Bad Münstereifel)?

von Hans-Dieter Arntz
07.05.2015

Auch die jüdische Friedhöfe in der Voreifel werden wie Denkmale gepflegt und erhalten. Aber regelmäßige Besichtigungen sind angebracht. Auf diese Weise entdeckt man leider gelegentlich Zerstörungen und Schändungen, gewinnt aber auch positive Eindrücke. Dies gilt u.a. für den kleinen Friedhof von Arloff, der stets einen sehr gepflegten Eindruck macht und daher gut in das ihn umgebende Wohngebiet passt. (Alle Fotos: © mediakustik C. A.)

 

 

Die Grünfläche mit den nur wenigen Grabsteinen befindet sich an der Talstraße im Stadtteil Arloff (Flur 4, Nr. 128) und gehört zur Kurstadt Bad Münstereifel, über deren eigentliche Begräbnissstätte ich bereits mehrere Beiträge publiziert habe. Vgl.

 

Jüdische Begräbnisstätten in der Nordeifel – Ein Beispiel: Der jüdische Waldfriedhof von Bad Münstereifel (Eifeljahrbuch 2015)

Vom jüdischen Friedhof in Münstereifel zur regionalen jüdischen Genealogie

Der jüdische Friedhof von Bad Münstereifel – Ein Rückblick (mit Fotos)

 

Am 1. Mai 2015 berichtete der Journalist Peter W. Schmitz in der Euskirchener Tagespresse von einer Nacht- und Nebelaktion auf dem jüdischen Friedhof von Arloff: „Vandalen sägen Bäume an“. Unbekannte hatten 13 große Hainbuchen am Rande des Geländes systematisch angesägt, und man muss sich nun fragen, ob die Täter Neofaschisten oder „nur“ dumme Vandalen und Umweltfrevler waren. Da zur selben Zeit von zahlreichen Junggesellen die traditionellen Maibäume geschlagen wurden, könnte es sich auch um einen sehr dummen „Streich“ handeln, der übrigens einigen benachbarten Kleingartenfreunden nicht ungelegen kam. Die Münstereifeler Stadtverwaltung musste nämlich inzwischen für die endgültige Abholzung sorgen, da ein Sturm zwei Häuser hätte in Mitleidenschaft ziehen können. (Fotos: © mediakustik C. A.)

 

 

Unverzüglich wurde die Friedhofsverwaltung der Synagogen-Gemeinde Köln informiert, die für sechs jüdische Friedhöfe in der Domstadt und 35 im Umland zuständig ist. Auf die Forderung des Beauftragten Daniel Lembeck hin stellte die Stadt Bad Münstereifel zudem am 30. April Strafanzeige gegen Unbekannt. Im Artikel der „Kölnischen Rundschau“ hieß es:

Mysteriös ist die Art und Weise, wie der oder die Täter vorgegangen sind. Die etwa 30 Jahre alten Bäume, die in einem Grünstreifen, der zum jüdischen Friedhof gehört, stehen, sind in Kniehöhe angesägt worden. Der Täter hat die Baumstämme allerdings nur zur Hälfte angeschnitten... Schmitz geht davon aus, dass dies entweder mit einer Kettensäge oder einem elektrischen Fuchsschwanz geschah.

Weiterhin wurde der Sachverhalt an den Bonner Staatsschutz weitergeleitet. Es handele sich schließlich bei diesem Vorfall auf dem Gelände eines jüdischen Friedhofs um ein sensibles Thema....

 

 

Vielleicht ist es an dieser Stelle angebracht, etwas über den ins Licht der Voreifeler Öffentlichkeit getretenen jüdischen Friedhof von Arloff festzuhalten:

Der kleine jüdische Friedhof an der Talstraße in Arloff-Kirspenich (Flur 4, Nr. 128) wurde im Jahre 1876 neu angelegt. Zuvor befand er sich im benachbarten Waldgebiet der Stotzheimer Hardtburg. In meinem Online-Artikel Die jüdischen Begräbnisstätten der Kreisstadt Euskirchen: Jüdische Friedhöfe erinnern an die Vergangenheit hielt ich bereits fest:
Im Gebiet der Kreisstadt Euskirchen gibt es insgesamt seit der Eingemeindung (1969) folgende jüdische Friedhöfe: Kleinbüllesheim, Kuchenheim, Schweinheim, Kirch­heim und Flamersheim. Reste sind in Frauenberg und im Hardtwald mit Mühe erkennbar.

Seit 1659 sind die ersten Juden in Flamersheim nachweisbar und somit auch weitere Beerdigungen in der Umge­bung von Euskirchen. Diese fanden im Hardtwald bei Stotzheim statt, in der Nähe von den „zwei uralten Buchen", an der Straße nach Kirspenich. Unschwer lassen sich heute noch die Randwälle erkennen. Dieser „Judenkirchhof im Hardtwald“wurde bereits „seit unvordenklicher Zeit“ benutzt. Klaus H.S. Schulte konstatiert, dass man Juden aus den Gemeinden Cuchenheim, Stotzheim, Kirspenich und Arloff, die ja damals noch keine „Bürger“ waren, hier beerdigen sollte. Da die preußische Regierung andere Pläne hatte, gab es einen Prozess, in dem es wörtlich hieß: „Die Klage der königlichen Regierung auf Ausweisung der Juden ist durch Urtheil vom 8. Februar 1826 zurückgewiesen und ein Rechtstitel nicht eingelegt ...“. Die Regierung in Köln forderte 1862 den Landrat des Kreises Rheinbach auf, sich der Sache erneut anzunehmen und erinnerte an das Angebot der Forstverwaltung, am Rande des Hardtwaldes eine Ersatzfläche für die Beerdigung der jüdischen Bürger gegen geringes Entgelt zur Verfügung zu stellen. Der letzte Grabstein wurde nach dem 2. Weltkrieg noch von dem Pfarrer aus Kreuzweingarten, Nikola Reinartz, sichergestellt.

Der kleine jüdische Friedhof von Arloff - eine kleine dreieckige Parzelle - wurde in der Zeit von1876 bis 1934 belegt. Hier findet man aber nur noch zehn Grabsteine (Mazewot) der allerdings wenigen jüdischen Bürger von Kirspenich undArloff. Sie erinnern an die Familien Kahn, Baer und Aaron.

Oskar Aron(1884-1978) - geboren in Arloff, später sesshaft in Flamersheim und 1939 ausgewandert nach Palästina - galt lange Zeit als „ältester Briefträger Israels". In seinen Tagebüchern, die er mir vor seinem Tode überließ, berichtete er ausführlich auch über das Leben und Sterben jüdischer Menschen in Arloff. Dies bezieht sich auf die ersten 11 Juden im Jahre 1812 bis zum Holocaust.

 

 

Der Friedhof steht seit dem 8. September 1989 unter Denkmalschutz. Trotz der wenigen jüdischen Familien wirkten sich auch hier die Auswüchse der Reichskristallnacht aus. Der kleine Friedhof zeigte sich zur Zeit der Besichtigung als gepflegt. Folgende Grabsteine findet man vor:

Isaak Kahn 1814—1890 Symbol: eingegrabene Priesterhände
Frau Isaak Kahn gb Mendel aus Meckenheim
Frau Isaak Kahn gb Jeanette Mendel
Joseph Baer 1818—1906
Frau Joseph Baer gb Regina Meyer aus Euskirchen 1822—1881
Abraham Kahn 1856—1908 Symbol: eingegrabene Priesterhände
Frau Abraham Kahn gb Rosa Levi aus Kirchheim 1856—1934
Isidor Kahn 1885—1920 — Gatte, Vater
Frau Seligmann Aaron gb Rosa Wolff aus Heimerzheim
1 Grabstein beschädigt, ohne Epitaph

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