Zum Unterrichtsfach „Heimatkunde“ in der deutschen Volksschule (1939/40) – Teil 1

von Hans-Dieter Arntz
30.06.2018

Wenn man einmal davon absieht, dass das Unterrichtsfach „Heimatkunde“ in einigen Bundesländern als „Heimat- und Sachunterricht (HuS)“ später noch fortgesetzt wurde, dann war es doch von 1908 bis 1969 ein verbindlicher Teil des Curriculums für Volksschulen. Infolge der allgemeinen Umstrukturierung des Schulwesens wurde es dann in den Lehrplänen aufgegeben.

Wie bei Wikipedia nachzulesen ist, war „Heimatkunde“ als Begriff für den allgemein bildenden Unterricht - insbesondere für jüngere Schüler – jedoch schon im 19. Jahrhundert weit verbreitet: Wichtige Vertreter der Heimatkunde waren Wilhelm Harnisch (1787–1864) und Friedrich August Finger (1808–1888). Heimatkunde war damals noch nicht in ihren Vermittlungsinhalten vereinheitlicht und wurde auch „Anschauungsunterricht“ genannt. Heimatkunde wurde in Preußen mit den Stiehlschen Regulativen 1854 im Zuge der Restauration nach der demokratischen Revolution von 1848 untersagt. Seit 1908 war Heimatkunde in den Volksschulen verbindlich.

 

testBlick auf einen Teil der Gruppenarbeit im Fach Heimatkunde (Klasse 6 /1967) der Paul-Gerhardt-Schule Euskirchen

 

Als junger Lehrer unterrichtete ich selber das Unterrichtsfach Heimatkunde, das bei Kindern wegen seiner nahräumlichen - geographisch und regionalhistorisch geprägten - Bildungsinhalte recht beliebt war. Durch die Abschaffung als zentrales Unterrichtsfach ging jedoch meiner Meinung nach ein wichtiger Bezug zum Wohnort oder zur „ursprünglichen Heimat“ verloren. Wegen der vor etwa sechs Jahrzehnten wachsenden Kritik an der ideologischen Überfrachtung, geographischen Enge und angeblich geringen Wissenschaftlichkeit wurde das Unterrichtsfach Heimatkunde durch Schwerpunkte der „Sachkunde“ ersetzt. Vielleicht hatte man sich doch früher zu sehr an der „Heimat- und Landidylle“ statt an Problemen der Gegenwart orientiert. Aber manches ging verloren. Die derzeitige Beschäftigung mit dem Internet und Smartphone beansprucht stattdessen heutzutage immer mehr jüngere Schüler, sodass sogar „das Kartenverständnis“ mit der Fähigkeit Landkarten zu lesen und die Raumorientierung bei jüngeren Leuten“ weitgehend verloren geht.“ Diesallerdings wurde auch noch im Fach Heimatkunde gelehrt.

 

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Tatsache ist jedoch, dass sich in der heutigen Zeit - auch als Folge der familiären Mobilität und des Interesses vonseiten des Elternhauses - immer weniger Grundschüler mit ihrem Wohnort identifizieren.Eine eigentliche „Kunde von der Heimat“ entfällt….

Interessant ist, dass man sich seit einigen Monaten wieder vermehrt mit dem Begriff „Heimat“ befasst und ihn sogar in Form von „Heimatministerium“ zu institutionalisieren bemüht ist.

Es ist unbestreitbar, dass das Unterrichtsfach Heimatkunde zur Zeit des Nationalsozialismus eine ideologischen Überfrachtung beinhaltete, und das damalige Curriculum spiegelte in Bezug auf „Familie, Volk und Herkunft“ in jeder Hinsicht auch eine angebliche Antwort auf diese Zeit.

Was verstand man 1939/40 unter dem Unterrichtsfach „Heimatkunde“?

Der „Erlaß über die Richtlinien der Volksschule“ vom 15. Dezember 1939 (vgl. Anlage) gibt noch nicht unbedingt den damaligen Zeitgeist wieder. Aber wesentlich konkreter und historisch interessanter sind die Ausführungen für die „praktische Schularbeit“, von denen ich einige exemplarisch in den künftigen Fortsetzungen meiner Online-Beiträge anführen werde.

Einleitend und noch recht allgemein heißt es in den knappen Ausführungen zum erwähnten Erlass, die in der vom Berliner Zentralverlag der NSDAP publizierten Broschüre „Erziehung und Unterricht in der Volksschule“(1940) veröffentlicht wurden:

Heimatkunde

Im Heimatkundeunterricht sollen die Kinder die Heimat erleben und lieben lernen und sich als in ihr verwurzelte Glieder des deutschen Volkes erkennen. Der gesamte Unterricht der Volksschule dient der Heimatkunde im weiteren Sinne. Um so wichtiger ist es, dass der Heimatkundeunterricht in den vier unteren Jahrgängen nicht nur Kenntnisse vermittelt, sondern auch den festen Grund legt für den Stolz auf Heimat, Stamm, Volk und Führer.

Der heimatkundliche Unterricht des ersten und zweiten Schuljahres nimmt seine Stoffe aus der nächsten Lebenswelt der Kinder. Er klärt, ordnet und erweitert ihren Vorstellungsschatz und macht ihn bewusst erziehlich fruchtbar.

 

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Vom dritten Schuljahr an lernen die Kinder planmäßig ihre Heimat kennen. Dabei werden die volkskundlichen, geschichtlichen, erdkundlichen und naturkundlichen Grundlagen vermittelt.

Ausgehend von der Familie, sieht das Kind die Menschen bei Arbeit und Feier, in Lebenshaltung, Sitte, Brauchtum, Sprache und Liedern, Märchen und Sagen. Neben heimatgeschichtlichen Erzählungen fügen sich geschichtliche Einzelbilder, soweit sie dem Verständnis dieser Altersstufe zugänglich gemacht werden können, in diesen Unterricht ein. Der heldische Gedanke ist in den Vordergrund zu stellen. Helden in der Heimat, des Weltkrieges und der nationalsozialistischen Bewegung, der stille Held des Alltags, der Held der Sage sollen das Kind begeistern.

In den Kapiteln 4 bis 6 (S. 17 ff.) geht es um die Teilbereiche Geschichte, Erdkunde und Naturkunde bzw. Naturlehre, deren Aussagen eigentlich genau so allgemein gehalten sind, wie die Hinweise zum Unterrichtsfach Heimatkunde:

Verhältnismäßig „harmlos“ heißt es noch im Kapitel Nr.3, Seite 17:

 

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In meinem nächsten Online-Beitrag werden aber deutlichere Anweisungen und Themen wiedergegeben, die aus dem umfangreichen Buch „Kamps Handbücher für die praktische Schularbeit“ (3./4.Schuljahr) stammen. Sie dienen nicht nur als erziehungswissenschaftlich relevante Beispiele, sondern zeigen auch grundsätzlich und exemplarisch die nationalsozialistische Ausrichtung der damaligen Pädagogik und des Unterrichtsfaches Heimatkunde.

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