Vor 23 Jahren: Städtepartnerschaft und Schüleraustausch zwischen
Euskirchen und Israel

von Hans-Dieter Arntz
15.06.2008

Im Frühjahr des Jahres 1985 bemühte sich  erstmals eine Gemeinde der Voreifel um eine Partnerschaft oder zumindest einen „Freundschaftspakt“ mit einer israelischen Stadt oder Gemeinde. Es handelte sich hier um Flamersheim, ein Ortsteil der Kreisstadt Euskirchen.

Erinnerungen kamen auf, als vor wenigen Wochen im Kreis Euskirchen erneut nach 23 Jahren der Versuch gewagt wurde, eine deutsch-israelische Partnerschaft mit Schüleraustausch zu organisieren. Was im Jahre 1985 durch den Euskirchener Ortsteil Flamersheim begonnen wurde, soll nun durch die Weilerswister Gesamtschule fortgesetzt werden – hoffentlich etwas erfolgreicher als damals.

Wie der Lokalteil Euskirchen des Kölner Stadtanzeigers vom 11. Juni 2008 berichtete, wurde im Rahmen der kürzlich stattgefundenen Reise von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und NRW-Schulministerin Barbara Sommer nach Israel eine Kooperation zwischen der bilingualen „Hand-in-Hand-Schule“ in Jerusalem und der Gesamtschule Weilerswist beschlossen. Projekt, Planung und Szene der Vertragsunterzeichnung erinnern an das Jahr 1985, als die Flamersheimer Delegation in Tirat Hakarmel bei Haifa weilte und das medienträchtige Procedere vollzog.

Deutsch-israelische Partnerschaft im Jahre 1985

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Ein Teil der Flamersheimer Delegation mit dem Stadtrat von Tirat Hakarmel vor der eigentlichen „Verbrüderungsfeier“. (Aus: Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln, Nr. 19, vom 10. Mai 1985).

Bürgermeister Reuven Biener von Tirat Hakarmel und der Euskirchener Delegationsleiter Hans-Dieter Arntz nach der Vertragsunterzeichnung im Jahre 1985.

 

Auch 1985 wollten die Vorreiter aus Euskirchen-Flamersheim dasselbe wie jetzt erneut die Weilerswister, nämlich „das Verständnis und die Beziehung zwischen den beiden Staaten Israel und Deutschland, seinen Kulturen, Lehrern und Schülern fördern“. Das Projekt der Flamersheimer war aber weitgreifender: nicht nur eine Schul-Partnerschaft, sondern eine Städte-Partnerschaft wurde angestrebt. Um es kurz zu machen: es gab zahlreiche private Begegnungen und Briefkontakte, aber langfristig gesehen scheiterte das Vorhaben nach einigen Jahren am Geld und an der Entfernung!

1. Anmerkungen zu den Städtepartnerschaften mit Israel

Die „Union of Local Authorities in Israel", mit Sitz in Tel Aviv veröffentlichte vor etwa 25 Jahren eine Broschüre, die in kon­zentrierter Form eine Übersicht über Partnerschaftsverhältnisse israelischer Städte mit ent­sprechenden Ortsverwaltungen im Ausland gab. Die Union, auf Hebräisch „Merkas ha-schilton ha-mekomi", umfasste damals  37 Stadtverwaltungen und 133 Ortsverwaltungen, von denen 58 Ortsgemeinschaften aus dem arabischen Sektor Israels waren. Von diesen insgesamt 171 Orten wurden bis 1985 schon 133 Freundschafts- und Partnerschaftsabkommen mit ausländischen Kommunen gleicher oder annähernd ähnlicher Größenordnung geschlossen.

Die Ziele dieser internationalen Beziehungen lagen schon damals auf verschiedenen Ebenen. Hauptsächlich sollten nach dem Holocaust menschliche und soziale Kontakte mit Israel aufgebaut werden. Die „Union of Local Authorities in Israel" verfügte 1985 über ein Budget, aus dem die Entwicklung der Freundschaftsbeziehungen zwischen den Städten verschiedener Länder gefördert wurde. Wichtig für diese Partnerschaftsbestrebungen war stets ein Sich- Kennenlernen, um dadurch das Verständnis zwischen Menschen verschiedener und Kulturen zu fördern und zu vertiefen. Die Zeitung „Jüdische Allgemeine“ vom 6. September 1985 listete alle Städtepartnerschaften mit Israel detailliert auf.

2. Freundschaftspakt zwischen Euskirchen-Flamersheim und Tirat Hakarmel

Im Juni 1984 hatte der Ortsteil Euskirchen-Flamersheim „seine“ ehemaligen jüdischen Mitbürger in die alte Heimat eingeladen. Über das viertägige Wiedersehensfest berichtete auch der WDR  ausführlich in einer 30minütigen Fernsehsendung. Tatsache ist, dass damals der Plan entstand, mit einem Ort in Israel eine Partnerschaft oder zumindest eine besondere Form der Freundschaft zu begründen. Besonders die Jugend sollte auf beiden Seiten aktiviert werden, um auch einen  Schüleraustausch zwischen Euskirchen und Israel (1985) zustande zu bringen. In der Schrift „euskirchen aktuell“ vom Juni 1985 wurde diese Absicht folgendermaßen vorgestellt:

Freundschaftliche Beziehungen zwischen Flamersheimern und Israelis

Bereits im Sommer 1984 hatten die Flamersheimer bewiesen, dass ihr Verhältnis zu Juden herz­lich ist: Sie hatten ehemals hier beheimatete jü­dische Mitbürger zu einem viertägigen Fest nach Flamersheim eingeladen, in die Ortschaft, die bereits um die Jahrhundertwende im Rheinland wegen 13% jüdischer Bewohner als „Judendorf“ bekannt war.

Der Sprecher der jüdischen Gäste, Sigi Oster, hatte beim Abschied vorgeschlagen, zur Vertie­fung der geknüpften Kontakte eine ständige Part­nerschaft mit einer israelischen Ortschaft einzu­gehen. Da die Realisierung dieses Vorschlages in der Entfernung und in den Kosten zweifellos ihre Schwierigkeiten besitzt, versuchten die Flamers­heimer es erst einmal mit einem Kompromiss. Unter Mithilfe des deutschen Botschafters in Isra­el, Dr. Nils Hansen, und des Israelischen Städte­tages wurde die 18.000 Einwohner große bei Haifa gelegene Stadt TIRAT HAKARMEL ausfindig gemacht, die ähnliche Kontakte zu Deutschland suchte.

Am Sonntag, dem 31. März 1985, wurden erste persönliche Kontakte aufgenommen. Bürgermei­ster Reuwen Diener empfing im Gymnasium von Tirat eine Flamersheimer Delegation unter der Leitung von „JUDAICA“-Autor  Hans-Dieter Arntz. Der Bür­germeister hob dabei die erfolgreichen Bemühun­gen um eine deutsch-israelische Kontaktaufnahme der Flamersheimer Gäste lobend hervor. Im Beisein des dortigen Gemeinde­rates und Stadtdirektors wurde die zukünftige Freundschaft der Einwohner beider Gemeinden in zwei Sprachen begründet. Arntz überreichte dem dortigen Bürgermeister Diener den neuen Bildband der Stadt Euskirchen als Geschenk von Eus­kirchens Bürgermeister Wolf Bauer.

Bereits vorher war die Flamersheimer Gruppe von Dr. Erich Loeb, dem stellvertretenden Bürgermeister der 300.000 Einwohner zählenden Stadt Haifa, zu einem Empfang geladen worden. Dr. Loeb über­reichte den Flamersheimern als bleibende Erin­nerung einen Wimpel der Stadt Haifa und lobte in einer herzlichen Ansprache ihre vorbildlichen Aktivitäten bei  `Aufarbeitung deutsch-jüdischer Vergangenheit´. Durch die Dokumentation über das Flamersheim-Treffen 1984 und das Heimatbuch `Wir in Flamersheim´ wurden die Bewohner von Tirat Hakarmel und Haifa über die Aktivitäten im Euskirchener Ortsteil informiert.

Die Flamersheimer verstehen sich mit ihren Aktivitäten in erster Linie als Wegbereiter für eine offi­zielle Partnerschaft mit einer israelischen Gemeinde. Im kommenden Jahr wird in Euskirchen ein weiteres Treffen ehemaliger jüdischer Bürger der Stadt Euskirchen stattfinden, ein weiterer wichtiger Schritt zur Vergangenheitsbewältigung.

 

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3. Ein „Freundschaftspakt“ zwischen Euskirchen und Euskirchen-Flamersheim (1985)

Im Frühjahr des Jahres 1985 bemühte sich  erstmals eine Gemeinde der Voreifel um eine Partnerschaft oder zumindest einen „Freundschaftspakt“ mit einer israelischen Stadt oder Gemeinde. Zu der damaligen Zeit war das etwas Besonderes, weil die Kommunikation nicht mit dem heutigen Internet zu vergleichen und die Entfernung nur mit kostspieligen Flügen zu bewältigen war. Außerdem gab es nach dem Holocaust auch in unserer Region gewisse Ängste oder sogar Vorbehalte. Regierungsstellen gaben nur wenig ideelle und überhaupt keine finanzielle Unterstützung. Jegliche Aktivitäten wurden von Euskirchener und besonders Flamersheimer Bürgern entwickelt und sogar realisiert. Daran sollte man sich heute, wo in der schnelllebigen Zeit vieles vergessen worden ist, erinnern. Wahrscheinlich wissen auch die Weilerswister Pädagogen nichts von der Pionierleistung der Flamersheimer Bürger, die sich im Frühjahr 1985 auf eigene Kosten auf den Weg nach Israel machten, um dort Freunde und künftige Partner zu finden.

Das Evangelische Sonntagsblatt für das Rheinland „Der Weg“ berichtete detailliert in der Nr. 25 am 16. Juni 1985:

 

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4. Bereits 1985:  „Vorboten für deutsch-israelische Freundschaft“

Offenbar in Vergessenheit geraten sind die langjährigen Bemühungen der Voreifeler Bevölkerung, Kontakte zu einer israelischen Stadt und Schule zu pflegen. Keinem der bereits erwähnten Pädagogen der Gesamtschule Weilerswist war bekannt, wie intensiv bereits Beziehungen zum Staat Israel waren; keiner war offenbar daran interessiert, sich um schon gemachte Erfahrungen zu kümmern. Dabei wurde doch auch schon im Jahrbuch des Kreises Euskirchen, 1986, S. 148/49  die „deutsch-jüdische Freundschaft zwischen Flamersheim und Tirat Hakarmel“  als ein wichtiger „Maßstab für den Stand der Aufarbeitung der jüngsten deutschen Vergangenheit“ dargestellt. Auch die Kirchenzeitungen berichteten von diesem Eifeler- bzw. Voreifeler „Pilotprojekt“.

Die Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln berichtete am 10. Mai 1985 (Nr. 19) über die Voreifeler „Vorboten für die deutsch-israelische Freundschaft“:

 

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5. Eine Lanze für die Partnerschaften zwischen Deutschland und Israel

Partnerschaften oder derartige Bemühungen um freundschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind nicht immer von Erfolg gekrönt. Über diesbezüglich „ermutigende oder enttäuschende Ansätze im Rheinland“ referierte ich im Frühjahr 1985 im „Auditorium“ der Stadt Haifa vor den meist deutschsprachigen Gästen vieler israelischer Landsmannschaften. Die Israel Nachrichten berichteten über meinen stark beachteten Vortrag „Bewältigung der Vergangenheit – Ermutigung und Enttäuschung“ am 10. Mai 1985. Hier begründete  ich auch meine Aktivitäten, Mahntafeln zur Erinnerung an erloschene Synagogengemeinden oder Straßenbenennungen nach bekannten jüdischen Mitbürgern zu initiieren. Ergo: Nicht nur dieses Vorhaben, das seit einigen Jahren in Form von „Stolpersteinen“ eine großartige Erweiterung gefunden hat, sondern auch „Freundschaftspakte“ und Partnerschaften können der „Bewältigung der Vergangenheit“, der Aufarbeitung der Geschichte und einem Neubeginn dienen. In diesem Sinne haben die Bürger von Euskirchen-Flamersheim mit ihrer „Verschwisterung“ schon im Frühjahr 1985 einen Schritt  in die Zukunft getan.

 

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