Sie konnten noch vom Belsener Judenältesten Josef Weiss Zeugnis ablegen. – Zum Tode von 2 Augenzeugen: Prof. Gerald Weiss und Ina Polak geb. Soep
(Mai 2014)

von Hans-Dieter Arntz
20.05.2014

Von Jahr zu Jahr verringert sich die Zahl der jüdischen Augenzeugen, die den Holocaust überlebt haben oder hiervon - aufgrund persönlicher Erlebnisse - berichten konnten. Dies muss ich immer wieder betroffen feststellen, denn viele Mitarbeiter sind in den 35 Jahren, in denen ich mich mit der Aufarbeitung der deutsch-jüdischen Geschichte befasse, verstorben. Sie haben mir seitdem wichtige Fakten beschrieben und Dokumente hinterlassen, die in meinen Büchern und Homepage-Artikeln zu finden sind. Aber dennoch sind unzählige Privatunterlagen und Fotos nicht ausgewertet. Exemplarisch weise ich auf meinen neuesten Dokumentationsband Der letzte Judenälteste von Bergen Belsen hin, in dem ich nicht nur das berüchtigte Konzentrationslager, sondern auch Josef Weiss darstellte, und hierzu viele diesbezügliche Dokumente aus Privatbesitz verwerten konnte.

In zwei NEWS teilte ich vor einigen Tagen den Tod von Prof. Gerald Weiss und der Schriftstellerin Ina Polak geb. Soep mit, die mit Josef Weiss verwandt waren und vom Belsener Judenältesten Josef Weiss Zeugnis ablegen konnten:

 

13.05.2014

Zum Tod von Prof. Dr. Gerald Weiss, Nestor der jüdischen Familie Weiss und Neffe des letzten Judenältesten von Bergen-Belsen

Prof. Dr. Gerald Weiss

Soeben erfuhr ich, dass vor wenigen Stunden mein väterlicher Freund und Mitarbeiter, Prof. Gerald Weiss (Forest Hills, New York), verstorben ist. Besonders in den letzten Jahren half er mir als Nestor der ursprünglich aus Flamersheim stammenden jüdischen Familie Weiss. Er war ein Neffe des berühmten letzten Judenältesten von Bergen-Belsen Josef („Jupp“) Weiss und stellte mir historisch wertvolle Dokumente mit weiterführenden Hinweisen und wichtigen Kommentaren zur Verfügung. Seine Hilfe ermöglichte mir, die Biografie des Josef Weiss und den Dokumentationsband über Bergen-Belsen zu erstellen.

Ich stellte Gerald („Jerry“) den Lesern meiner regionalhistorischen Homepage erstmals in meinen NEWS vom 5. April 2008 vor. Den berühmt gewordenen Bericht von Josef Weiss über den „Sederabend 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen“ übersetzte er ins Englische, so dass ich ihn auch in meinen NEWS vom 6. April 2012 publizieren konnte.

Der Verstorbene wurde am 3. August 1922 in Köln geboren, wo seine Eltern im Stadtzentrum ein Kaufhaus besaßen, und floh mit ihnen nach dem Novemberpogrom in die USA (1939). Er studierte an der Cooper Union, legte sein Examen in Elektrotechnik (1943) ab und wurde als Mitglied der Tau Beta Pi, der Engineering-Ehrengesellschaft, aufgenommen. Als Freiwilliger diente er in der US-Army, setzte dann aber seine wissenschaftliche Karriere fort: Master- Abschluss der Harvard University (1948) und Promotion am Polytechnic Institute of Brooklyn (1959). „Jerry“ wirkte dann 33 Jahre lang als Professor für Maschinenbau (1988) und anschließend in derselben Funktion an der Cooper Union (bis 1992).

Als emeritierter Professor widmete er sich verstärkt der Genealogie der Großfamilie Weiss und der Erforschung des Holocaust. Er sammelte und übersetzte unzählige Briefe und Dokumente, die er in dem Buch From The Edge Of The Abyss veröffentlichte. Seine umfassende Erforschung der Genealogie der Familie Weiss reicht bis in das 17. Jahrhundert und dürfte ein wichtiger Aspekt der Erforschung jüdischer Familien im Rheinland sein.

In dem gerade erhaltenen Nachruf betonen die drei Kinder und seine Ehefrau Pearl, mit der er 59 Jahre lang verheiratet war, seinen Familiensinn und – was ich selber dankbar bestätigen kann: „ ... Wir haben unser wandelndes Lexikon ... verloren. Sein Gedächtnis ist unser Segen“.

Für seine trauernden Freunde und Verwandten weise ich – unter Berücksichtigung der Zeitverschiebung – auf die Beerdigung von Prof. Dr. Gerald Weiss hin:

Services: Wednesday, May 14 at 11:30 AM, Plaza Jewish Community Chapel, 630 Amsterdam Avenue at 91st Street, New York, NY
Burial: Cedar Park Cemetery, Paramus, New Jersey.

 

17.05.2014

Tod einer bekannten Zeugin von Bergen-Belsen: Ina Polak geb. Soep

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Am 14. Mai 2014 starb nach kurzer Krankheit Catharina (“Ina”) Polak geb. Soep im Alter von 91 Jahren (* 03.01.1923, Amsterdam) im White Plains Hospital von New York. Sie hinterließ ihren inzwischen 101-jährigen (!) Ehemann Jack und 3 Kinder. Auch die New York Times veröffentlichte am Freitag, dem 16. Mai, einen Nachruf.

Ina stammte aus der berühmten holländischen Diamantaire-Familie Soep, deren Hilfe die SS zum Aufbau einer Diamantenindustrie in Belsen erzwingen wollte. Dies wurde jedoch nicht realisiert.

Ina und Jack („Jaap“) hatten sich im niederländischen Westerbork und im Konzentrationslager Bergen-Belsen kennen und lieben gelernt. Ihre „Love Story“ wurde in ihrem eigenen Buch und dem gleichnamigen US-Film von Michèle Ohayon „Steal a Pencil for Me“ verewigt.

testDa die Verstorbene eine Anverwandte von Josef Weiss war und als wichtige Augenzeugin der Geschehnisse im Konzentrationslager gilt, hatte ich einen guten Kontakt zu ihr. Im 16. Kapitel meines Buches Der letzte Judenälteste von Bergen Belsen (S. 330-363) beschrieb ich unter der Überschrift „Holländische Diamanten für Bergen-Belsen” die eigentlich unglaubliche Romanze zwischen Ina und ihrem „Jaap“. Später fasste Ina ihre Liebe, ihr Familienleben sowie die Liebe zu ihre Kindern und Enkelkindern als „ihre beste Rache am Holocaust" zusammen:

.... Their love story is memorialized in the book and award winning documentary Steal a Pencil For Me. Avid New York Times reader, theatre and movie goer, Ina led a vibrant and fullfilling life till the end. She will be remembered for her extraordinary beauty and her loving spirit. She called her children, grandchildren and great grandchildren 'her best revenge against The Holocaust'....

 

Die Beerdigungsfeierlichkeiten von Catherina Polak geb. Soep fanden gestern in der Sharrei Tikvah Synagoge auf der Fox Meadow Road in Scarsdale und auf dem Mt Hope Friedhof an der Saw Mill River Road in Hastings On Hudson statt.

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