Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene im Kreis Euskirchen (1939-1945) –
Bericht über einen Vortrag von Hans-Dieter Arntz

„Das grausame Schicksal der Verschleppten“ von W. Andres
Euskirchener Wochenspiegel vom 12.04.2000

Sie wurden im Zweiten Weltkrieg aus ihrer Heimat verschleppt und im Deutschen Reich als billige Arbeitssklaven missbraucht: Zwangsarbeiter.

Kreis Euskirchen. Auch in Voreifel und Eifel mussten sie in Fabriken schuften oder in der Landwirtschaft aushelfen. Einige wenige wurden menschlich behandelt, viele dagegen gnadenlos ausgebeutet - entsprechend rächten sie sich im Frühjahr und Sommer 1945, nachdem Deutschland den Krieg verloren hatte.

Der bekannte Regionalhistoriker und Sachbuchautor Hans-Dieter Arntz gehört zu den wenigen Experten, die sich auf lokaler und regionaler Ebene mit diesem Thema beschäftigt haben. Und dieses Thema ist nach wie vor aktuell, wie nicht zuletzt die bundesweite Diskussion um die Entschädigung der ehemaligen Zwangsarbeiter beweist -  heute, 55 Jahre nach Kriegsende! Sehr gut besucht war auch ein Vortrag des Historikers bei der Stadt-VHS: Mehr als 100 Zuhörer interessierten sich für „Kriegsende und Neubeginn in der Kreisstadt Euskirchen".

Verwundert zeigte sich da­bei Hans-Dieter Arntz über das derzeitige Desinteresse vieler Behörden und der hiesigen Industrie am Wiedergutmachungsprozess der Bundesregierung. Dabei sei doch jedem Zeitzeugen bekannt, wo und wann Zwangsarbeiter eingesetzt wurden. Nicht nur Archive, sondern auch Friedhöfe und Grabsteine berichten noch heute über das grausame Schicksal der ausländischen Frauen und Männer.

 

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Eher die Ausnahme: Gut hatten es die beiden polnischen» Kriegsgefangenen Kasimir und Stanislaus Cwerkow (rechts).
Das Foto zeigt sie während einer Pause beim Rübenziehen im Jahre 1944. Links die Niederelvenicher Veronika Heinsberg und
Wilhelm Falkenberg. (Foto: Archiv Arntz
)


Das Auspeitschen wurde zur Volksbelustigung

Ausgiebig ging Hans-Dieter Arntz in seinem VHS-Vortrag auf das Thema „Zwangsarbeiter" im heutigen Kreis Euskirchen ein. Dabei unterschied er auch zwischen Kriegsgefangenen, Fremdarbeitern und „Hilfswilligen" (Hiwis), was seiner Ansicht nach in der Fachliteratur nicht genügend berücksichtigt wird. So sei der Status der vielen italienischen Zwangsarbeiter, die z.B. nach 1943 auch in Weilerswist eingesetzt wurden, überhaupt nicht geklärt.

Erstmals erfuhr die meisten Zuhörer, dass polnische Kriegsgefangene bereits am 13. September 1939 – also knapp zwei Wochen nach Kriegsbeginn – in der Kreisstadt Euskirchen eingetroffen waren. Laut Tagespresse hatte man sie für den „Einsatz in der Landwirtschaft und Industrie" vorgesehen. Wörtlich zitiert Arntz aus der Zeitung: „Die erste Kolonne dieser Gefangenen ist gestern Abend in der Kreisstadt eingetroffen, von wo aus die Verteilung erfolgt." Das Schicksal, das die Zwangsarbeiter meist erlitten, war in vielen Fällen grausam. Die Tatsache, dass zum Beispiel in einem Voreifeler Ort 15 ausländische Arbeiter zur gleichen Zeit an einer „ansteckenden Krankheit" gestorben sein sollen, „müsste allmählich zum Nachdenken anre­gen", so Arntz im Hinblick auf das Desinteresse der Behörden und der hiesigen Industrie.

Massengrab

Erschießungen und andere Hinrichtungen sind älteren Mitbürgern noch in Erinnerung. Nur wenige Kilometer vom Euskirchener Stadtgebiet entfernt gab es ein Massengrab, das im Jahre 1953 von spielenden Kindern bei Satzvey entdeckt wurde. Auf benachbarten Friedhöfen weisen noch heute der Sowjetstern oder kyril­lische Buchstaben auf Grabsteinen  in wichtige Richtungen. In einem angesprochenen Dorf bei Bad Münstereifel machten sich deutsche Arbeiter einen Spaß daraus, sich abends von einem selbst ernannten „Standesbeamten" mit einer Fremdarbeiterin für eine Nacht „verheiraten" zu lassen. Im selben Dorf gab es abends eine Art „Volksbelustigung": Polen und Ukrainer wurden im Scheinwerferlicht wegen kleiner Verfeh­lungen öffentlich ausge­peitscht.

Vom Fenster einer Firma in Münstereifel aus konnte ein noch heute bekannter SA-Mann in einen Steinbruch einsehen. Die „Rassenschande" mit einer Deutschen war gemeldet worden und wurde in diesem Steinbruch und gesühnt. Andere Polen wurden zur Abschreckung am Galgen vorbeigeführt.

Seit 1941 machten sich die Behörden des Kreises Euskirchen Ge­danken um die sexuelle Ak­tivität von Zwangsarbeitern und die Gefährdung arischer Frauen. Und so wurde am 3. Februar 1941 auch in Euskirchen die „Errichtung von Bordellen bei massiertem Einsatz fremdvölkischer Arbeiter" gefordert. Die erhalten gebliebenen „vertraulichen Mitteilungen an die Staatliche Kriminalpolizeistelle" listen detailliert Firmen sowie deren „Lager und die Anzahl der fremdvölkischen Männer" auf.

Kräftezehrend...

So gab es in der Nähe von Kall (damals Altkreis Schleiden) 60 Zwangsarbeiter, die jedoch – wie auch diejenigen im Altkreis Euskirchen – nicht die Genehmigung zum Bordellbesuch erhielten. Der Fußmarsch hierhin wäre nämlich zu kräfteraubend. Zudem stritten sich die Verwaltungen um organisatorische Fragen: Räumlichkeiten, Bezahlung durch Verwaltung oder Firmeninhaber, Hygiene...

Ende 1941 wurde das Projekt wieder verworfen.

Rache!

Mit Bezug auf sein umfangreiches Buch „Kriegsende 1944/45 im Altkreis Euskirchen" (Vgl.www.hans-dieter-arntz.de/buecher) referierte Hans-Dieter Arntz über die vielen Morde und Plünderungen, mit denen sich die Zwangsarbeiter bei Kriegsende rächten. Euskirchener Unterlagen berichten über Gruppen von Russen, die sich der zurückgelassenen Handgranaten und Waffen fliehender deutscher Soldaten bemächtigt hatten und die Euskirchener Landbevölkerung terrorisierten.

Man atmete auf, als die so genannten „aus Russland Verschickten“ am 10. August 1945 am Euskirchener Bahnhof in ihre Heimat abtransportiert wurden. Für die „Rückführung von polnischen Staatsangehörigen“ sorgte die Euskirchener Stadtverwaltung am 28. Oktober 1945.

Während die „Ostarbeiter“ in ihrer Heimat ein besonderes Schicksal erwartete, wurden die italienischen Zwangsarbeiter bereits am 7. März von Weilerswist aus in ihre Heimat zurückgeschickt und dort wie Helden gefeiert.

 

zwangsarbeiter02 Der offizielle Fototext dieses amerikanischen Fotos: „Befreiung der Sklaven und Gefangenen. Hier werden Italiener, die in Weilerswist zur Zwangsarbeit benutzt wurden, ins Hinterland gebracht." (Foto: Archiv Arntz)


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Mehrsprachige  Plakate aus dem Euskirchener Stadtarchiv (Foto: Archiv Arntz)

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