Streit um „Stolpersteine“ in Rheinbach

von Hans-Dieter Arntz
23.03.2013

StolpersteineNachdem es bereits Anfang der 1980er Jahre spezielle Probleme um ein Mahnmal zum Gedenken an die Rheinbacher Juden und um eine Straßenbenennung gab, streitet man sich jetzt wieder um ein ähnliches Thema. Seit 2009 diskutiert man, ob in der Voreifelstadt Stolpersteine verlegt werden sollen. Die kleinen Denkmale des Künstlers Gunter Demnig, die inzwischen in vielen Städten und Dörfern eine besondere Form der Erinnerungskultur darstellen, entsprechen offenbar nicht den Vorstellungen vieler Kommunalpolitiker und einiger Bürger von Rheinbach.

Der zuständige Ausschuss des Stadtrates hatte im Jahre 2009 nahezu einstimmig - nämlich mit einer Gegenstimme und einer Enthaltung - einen Antrag zur Verlegung von Stolpersteinen abgelehnt. Dabei wurde die schon bestehende Vielfalt anderer Gedenkformen, die Gefahr des Vandalismus und die zusätzlichen Kosten im Nothaushalt angeführt. Zudem ergab sich die offenbar dringende Frage nach dem Einverständnis der heute in den betroffenen Häusern lebenden Bewohnern.

 

Stolpersteine 2

 

Seit Sommer 2012 gibt es nun eine neue Initiative „Rheinbacher BürgerInnen für Stolpersteine“, deren Organisatoren Peter Mohr, Daniela Roggendorf und Dietmar Danz sind. Gemeinsam mit seinen Mitarbeitern erinnerte Peter Mohr, der als Co-Autor im Buch von Horst Mies Sie waren Nachbarn - Zur Geschichte der Juden in Rheinbach im Dritten Reich seine Recherchen zu den jüdischen Familien in Rheinbach veröffentlicht hat, an den Februar 1942, als vor somit 71 Jahren die letzten Juden aus Rheinbach deportiert wurden. Zurzeit werden Fernsehen, Radio und die Medien mobilisiert, um auf die kommenden Entscheidungen aufmerksam zu machen. Hierzu gehört folgende Presseerklärung vom 17. März 2013:

Die Verlegung von Gedenksteinen für alle Opfer des Nationalsozialismus, die deportiert und ermordet wurden, ist ein moralisch ethisches Thema, das sich nicht für parteipolitische Auseinandersetzungen eignet. So befürworten beispielsweise auch Bundestags- und Landtagsabgeordnete der CDU aus der Region dieses Projekt und haben es in ihren Heimatgemeinden zum Teil aktiv unterstützt. In den vergangenen Jahren wurden Stolpersteine in vielen Nachbargemeinden, z. B. in Meckenheim und Bad Neuenahr, jeweils im parteiübergreifendem Konsens verlegt. Nicht zuletzt dadurch inspiriert, haben sich die Erstunterzeichner des Aufrufs ermutigt gefühlt, auch in der Stadt Rheinbach - nach der Ablehnung in 2009 – einen neuen Vorstoß zu wagen und eine parteiunabhängige Unterschriftenaktion für einen Bürgerantrag auf den Weg gebracht.

Mit ihrem Bürgerantrag - getragen von über 1600 Unterschriften - bittet die Initiative den Rat, der Verlegung von 34 Stolpersteinen für die jüdischen Bürger zuzustimmen. Trotz dieser beispiellosen Unterstützung für einen Bürgerantrag haben es die Mehrheitsfraktionen im Rat der Stadt Rheinbach vorgezogen, entgegen ihren Aufrufen zu mehr bürgerlichem Engagement bei der Aufbereitung der Rheinbacher Geschichte, die Bürger vor den Kopf zu stoßen. So lud man sie zunächst zur Ausschusssitzung, um sie dann mittels Vertagungsantrag unverrichteter Dinge wieder nach Hause zu schicken - anstatt mit ihnen in den Dialog zu treten.

Seit 2009 hat sich die Sachlage grundlegend geändert. Die europaweit angelegte Aktion des Künstlers Gunter Demnig hat mehr und mehr Verbreitung und Anerkennung erfahren. Sein Projekt und er haben Ehrungen und Preise erhalten, z.B. die Einladung zur Ausstellung im deutschen Pavillon bei der EXPO 2010 in Shanghai. Inzwischen liegen über 35.000 Stolpersteine in über 500 Orten Deutschlands und in 250 Orten weiterer zehn Länder Europas. Dies ist einzigartig, unterscheidet das Projekt von anderen Gedenkformen und bezieht auch daraus seine Rechtfertigung. In fremden Ländern gilt die Stolpersteinverlegung in Deutschland als Vorbild für eine Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit.

Der Zentralrat der Juden, der sich vor einigen Jahren noch nicht eindeutig positioniert hatte, befürwortet nunmehr ebenfalls die Verlegung der Stolpersteine. Er sieht darin eine würdige Form und eigene Qualität des Erinnerns.

Die Initiative verwahrt sich nachdrücklich gegen die Unterstellung, Gegner des Projektes des Antisemitismus bezichtigt zu haben. Selbstverständlich genießen Befürworter wie Gegner jeweils gleichermaßen die Freiheit des Andersdenkenden. Allerdings, und das sei hier klar gesagt, muss man antisemitische Äußerungen Einzelner ggf. auch als solche bezeichnen können. Zudem wird durch die europaweite Verlegung der Gedenksteine nicht nur an die Vertreibung und Vernichtung der Juden, sondern aller Opfer der Naziverfolgung, wie z.B. der Sinti und Roma, der politisch Verfolgten, der Homosexuellen, der Zeugen Jehovas und der Euthanasieopfer erinnert.

Niemand hat behauptet, dass in Rheinbach nicht bereits eine würdige Erinnerungskultur etabliert sei und insoweit ,,Nachholbedarf“ bestehe. Vielmehr geht es der Initiative darum, dass Rheinbach ebenfalls Teil dieses einzigartigen europaweiten Erinnerungsprojektes wird. Jeder, der schon einmal in einer anderen Stadt über einen Gedenkstein ,,gestolpert" ist, wird nachvollziehen können, dass dies eine ganz eigene Art des Erinnerns auslöst, nämlich direkter, persönlicher und unverkrampfter als bei anderen Gedenkstätten.

Wir sehen die Verlegung der Stolpersteine in Rheinbach als einen Ausdruck einer selbstbewussten und modernen Stadt, bereit, sich ihrer Vergangenheit zu stellen. Die Rheinbacher Bürgerinnen und Bürger, die Opfer des Nazi-Terrors wurden, sind es uns wert, dass wir ihrer auch in dieser besonderen Weise gedenken.

Wir fordern daher unsere Mandatsträgerlnnen im Stadtrat auf, in dieser Frage - wie vielerorts auch in einem parteiübergreifenden Konsens - der Verlegung der Stolpersteine zuzustimmen. Wenn dies nicht möglich sein sollte, werden wohl die Bürger der Stadt Rheinbach statt des Rates entscheiden müsssen.

Nun heißt es abwarten, denn die vom Bürgermeister angeschriebenen Hauseigentümer können sich bis zum 25. März 2013 zur beabsichtigten Verlegung äußern. Nach der Auswertung wird sich dann am 5. April der Kulturausschuss damit befassen, so dass der Rat schlussendlich am 22. April wohl die Entscheidung treffen wird.

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