Nationalsozialismus im Euskirchener Stadt- und Kreisgebiet
Teil 4: „Mütterschulung“ war Pflicht

Aus den Zeitungsserien von Hans-Dieter Arntz
23.10.2007
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Kreisparteitag der NSDAP 1939 in der Erftaue der Kreisstadt Euskirchen
(Foto: Hermann Vieth/Archiv: Ruth Vieth)

 

Seit Ende der 70er Jahre begann in der Voreifel die zaghafte Aufarbeitung der „jüngsten Vergangenheit“. Aus eigener Erfahrung kann ich konstatieren, dass die Dia-Vorträge in den Altkreisen Euskirchen und Schleiden sehr gut besucht waren und ein starkes Interesse der Bevölkerung an der Zeit des Nationalsozialismus und des Holocaust hinterließen. Die Lokalausgabe des Kölner Stadt-Anzeigers vom 15. November 1979 berichtete darüber und erwähnte zum Beispiel auch den überfüllten Vortragssaal der Volkshochschule Euskirchen.

Unter der Überschrift „Nationalsozialismus im Euskirchener Stadt- und Kreisgebiet“ hält die Homepage einige Auszüge aus Zeitungsserien fest. Derselbe Autor hat sich in seinen Büchern mit derselben Thematik befasst und sie schwerpunktmäßig ausgearbeitet.

 

Die Themen der 8 Teile:

Teil 1:  30. Januar 1933: „Machtergreifung“ in Euskirchen

Teil 2:  Die Zeit der „nationalen Hochstimmung“ (1933)

Teil 3:  Straßen nach den Namen der „Blutzeugen“

Teil 4:  „Mütterschulung“ war Pflicht

Teil 5:  Willkür gegen die Gegner des Regimes

Teil 6:  Kirchlicher Widerstand im Kreis Euskirchen

Teil 7:  Als in Euskirchen die Synagoge brannte

Teil 8:  Die NS-Presse der Kreisstadt Euskirchen bei Kriegsbeginn

 

Teil 4: „Mütterschulung“ war Pflicht
Fanatische BDM-Mädchen –
Euenheimer Scheune als „Wallfahrtsort“ für Pimpfe-Denunziationen 

 (Aus: Kölnische Rundschau, Lokalteil Euskirchen, vom 02.08.1988, von Hans-Dieter Arntz: Die „Machtergreifung“ in Euskirchen)

In ganz besonderem Maße nahmen sich die Nationalsozialisten der Jugend und der Frauen an. Unter der Überschrift „Die nationalsozialistische Frauenschaft" beschreibt der „Westdeutsche Beobachter" am 29. Juni 1935 die Mitarbeit der Frauen im Kreis Euskirchen:

Die Frauennatur ist nicht dazu geeignet, mit Schwert und Gewehr gegen den Gegner vor­zugehen. Aber in der Stille zu arbeiten für das gleiche Ziel, Opfer zu bringen für dasselbe Streben. Das war immer die Art der deutschen Frauen. Wer kennt in Euskirchen nicht jene Frau, die als erste dies Wirken begann und auch in ihren alten Tagen nicht müde ist noch rastet, unsere `SA-Mutter´. Alte Euskirchener wissen natürlich, wer die alte Dame aus der damaligen Adolf-Hitler-Straße war!

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Laut NS-Unterlagen wurde im Januar 1931 in Euskirchen der „Frauenorden" gegründet, der aber ein Jahr darauf schon wieder aufgelöst wurde. „In Mün­stereifel warben auch schon vor der Machtergreifung einige Frauen für den Nationalsozia­lismus. Als im Jahre 1932 eine Ortsgruppe der NS- Frauenschaft in Münstereifel gegrün­det wurde, gab es bald schon 40 Frauen, die sich an der Grün­dung des Reiches beteiligten“.

Das nationalsozialistische Frauenwerk der Kreisstadt Euskirchen setzte sich 1935 zusammen aus: Vaterländischer Frauenverein vom Roten Kreuz, Evangelische Frauenhilfe, Deutsch-Evangeli­scher Frauenbund. Nur der katholische Mütterverein hatte sich bis 1935 den Nationalsozia­listen der Kreisstadt noch nicht an­geschlossen.

Die NS-Volkswohlfahrt kon­zentrierte sich nicht nur auf Sammlungen oder den Verkauf von WHW-Plaketten, sondern auch auf Heimabende, Ver­sammlungen und Schulung des Nachwuchses. Die „Amtswalte­rinnen“ wurden in der Gauführerinnenschule Burg Dalbenden bei Urft geschult. Tur­nen, Singen, Volkstänze, Wah­rung „deutschen Volksgutes", Ausbildung zur Luftschutzwartin schlossen sich an. Mütter­schulung jedoch stand im Vor­dergrund der Arbeit, zu der jede Frau aufgerufen war.

Der BDM in Euskirchen wur­de 1932 gegründet Die ersten acht Mädchen waren gleichsam Pioniere im Kreisgebiet. Es handelte sich um Mechthilde Br., Käthe Ke., Gretchen Schi., Christel Schm., Erika We., Elsa Br., Betty Ge., Grete Ge. Beim Kreis-Parteitag 1935 gestanden sie der NS-Presse: „Mit jeder Faser unseres Herzens erlebten wir Erfolge und Niederlagen unserer Bewegung!"

Nach der „Machtübernahme" hatte auch der Euskirchener BDM großen Zulauf. Eine Abordnung von 40 Mädchen nahm am „Mädeltreffen“ im Oktober 1933 und an den Aktivitä­ten von BDM-Mitgliedern des Obergebietes West teil. Vor dem Reichsjugendführer legten sie ihr „Treuegelöbnis“ ab.

In diesem Zusammenhang sei auch auf den Fanatismus einiger Euskirchener Mädchen hingewiesen. Man scheute sich nicht, die Zeichenlehrerin Wer­ner vom Sancta-Maria-Oberlyzeum (heute Gymnasium Marienschule) bei der Gestapo zu denunzieren. Kritische Äußerungen über den Führer missfielen einigen Schülerinnen. Die kleine geh­behinderte Lehrerin wurde so­fort ihres Amtes enthoben.

Aus Euskirchen, Wißkirchen und Euenheim kamen die er­sten 20 Jungen, die zum Deut­schen Jungvolk und der Hitler-Jugend zählen wollten. Heinrich Schr. war der erste Führer, der „zum Appell“ rief.

 

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Eusklrchener Jungmädel im Zeltlager.

 

Am 18. Sep­tember 1932 kam es zu einem großen Treffen in Euenheim, an dem sich die HJ und das DJ aus dem Bereich Eifel bis nach Bonn/Bad Godesberg beteilig­ten. Eine gewisse Scheune in Euenheim wurde beinahe zum Wallfahrtsort für die „Pimpfe", weil der „Pimpfenvater" R. Sch. in der Wahlkampfzeit an die Wand geschrieben hatte: „Hitler siegt!“

Weitere Gründungen gab es 1933 in Kommern, Zülpich, Schwerfen, Flamersheim, Ku­chenheim, Stotzheim und Frauenberg. 1935 standen 2400 „Pimpfe" im Kreis Euskirchen unter der Führung des Jung Bannführers Werner Fr(…). Kör­perliche Ertüchtigung, Schu­lung, vormilitärische Ausbil­dung, Plakatkleben, Propagan­damärsche waren die ersten Aufgaben der Euskirchener HJ und des DJ. Bedauert wurde 1934, dass der Euskirchener Jungbann nicht am großen Auf­marsch und Lager in Aachen teilnehmen konnte, weil hier eine Typhus-Seuche herrschte. Ein ähnliches Lager am Mi­chelsberg bei Münstereifel fand ebenfalls wegen dieser Umstän­de nicht statt.

Wenige Jahre später waren fast alle Jungen und Mädchen staatlich organisiert. Das HJ-Heim in der Gerberstraße - dort, wo sich heute die Glaserei Abel befindet - wurde daher für viele Euskirchener zur zwei­ten Heimat. Bei den so genannten Pflichtappellen wurden Entschuldigungen offiziell nicht akzeptiert. Viele Ansprachen wurden von der Treppe aus gehalten, viele Märsche hatten hier ihren Beginn. Nur ganz wenige woll­ten sich in dieser Zeit daran erinnern, dass das schmucke HJ-Heim nur wenige Jahre zuvor noch Privatbesitz der jüdischen Familie Rothschild war. Diese Familie war jetzt mittellos, und der Viehhandels­betrieb war längst „arisiert" worden.

 

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Fortsetzung:
Teil 5: Willkür gegen die Gegner des Regimes

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