DIA-Vortrag „Zur Geschichte der Juden in Euskirchen“

von Johannes Bühl
(Aus: Kölner Stadtanzeiger, Lokalausgabe Euskirchen vom 20./21.04.2002)
23.01.2007

Hans-Dieter Arntz hielt vor rund 140 Leuten den Dia-Vortrag
„Zur Geschichte der Juden in Euskirchen“

Jupp Weiß notierte die Namen von 15 000 Ermordeten. Um 1900 lebten 300 Juden in Euskirchen
Am 1. April 1933 begannen Diskriminierung und Verfolgung

 

arntzEuskirchen - „Die Juden sind unser Unglück“, stand auf einem Transparent, das an der Eisenbahnbrücke über der Münstereifeler Straße hing. An einem Haus in der Wilhelmstraße, mitten in der Innenstadt, war die „Prangertafel“ angebracht: Dort konnte man mit Kreide die Namen jener Euskirchener niederschreiben, die dabei beobachtet worden waren, wie sie in jüdischen Geschäften einkauften. Andere dieser Boykottbrecher wurden fotografiert, wenn sie aus der Ladentür traten.

In der Zeitung „Westdeutscher Beobachter“ erschien täglich der „Judenspiegel“, in dem Frauen und Männer diffamiert wurden. Was gegen Ende der 30er Jahre wie selbstverständlich zum Euskirchener Alltag gehörte, war weit mehr als die wirtschaftliche Diskriminierung, mit der die Nationalsozialisten gleich nach der Machtergreifung den Juden das Leben schwer machten.

Die Repressalien waren im Laufe der Jahre immer schlimmer geworden. Am Beginn stand der „Judenboykott“ vom 1. April 1933 gegen Geschäfte wie das damalige Eifel-Kaufhaus Tietz, am Ende die Deportation von Juden aus Euskirchen und Umgebung in die Vernichtungslager. Über diese und andere schreckliche Details aus der Geschichte der Euskirchener Juden sprach am Donnerstag Hans-Dieter Arntz im Alten Rathaus.

Arntz gilt als bester Kenner der jüdischen Vergangenheit in Euskirchen. Er hat mehrere Bücher geschrieben, unter anderem „Judaica“, verfügt über eine Sammlung mit 5 000 Dias zum Judentum in der Voreifel und korrespondiert regelmäßig mit Juden, die aus Euskirchen und benachbarten Orten vertrieben wurden oder emigrierten und so dem Tod im KZ entgingen. Der Vortrag, veranstaltet vom Geschichtsverein des Kreises, bildete den Auftakt der Aktionswoche „Juden in Euskirchen“. Arntz wartete in knapp 100 Minuten mit einer Unmenge von Informationen auf. Er berichtete zunächst von den Judenverfolgungen im Mittelalter, um dann den Blick auf Deutschland und auf unsere Region zu lenken.

In Euskirchen gab es um das Jahr 1900 etwa 300 Juden. Sie waren, so Arntz, in jeglicher Hinsicht besser integriert als die Protestanten und auch aus der Geschäftswelt nicht wegzudenken. Viele sprachen Euskirchener Piatt. Nachdem wahrend des großen Stadtbrandes 1886 die Synagoge ein Raub der Flammen geworden war, war es selbstverständlich, dass Christen und Juden den Neubau gemeinsam einweihten. Die neue Synagoge in der Annaturmstraße, im maurischen Stil errichtet, war die schönste und mit 300 Plätzen auch die größte in der Voreifel. Am 10. November 1938 wurde sie zerstört. Kurz zuvor hatte der polnische Jude Herschel Grynszpan in Paris den deutschen Botschaftsrat vom Rath erschossen. Grynszpans Eltern gehörten zu den Tausenden Juden, die die deutsche Regierung im Oktober nach Polen abgeschoben hatte. Für die Nazis war das Attentat auf den Diplomaten ein willkommener Anlass, zu Boykott und Hetze gegen die Juden aufzurufen. Das schreckliche Resultat war die Reichspogromnacht.

Unter den Leuten, die die Euskirchener Synagoge niederbrannten, waren etliche Einheimische, wie Arntz betonte, um mit der Legende aufzuräumen, bei den Tätern habe es sich überwiegend oder ausschließlich um Auswärtige gehandelt. Einige von ihnen wurden nach Kriegsende vor Gericht verurteilt, nachdem sie vergeblich versucht hatten, sich als harmlose Mitläufer darzustellen.

Der Referent stellte auch Einzelschicksale dar. Er erzählte beispielsweise von Dr. Hugo Oster, einem jüdischen Armenarzt und SPD-Stadtverordneten, nach dem seit einiger Zeit ein Platz in der Nahe des Amtsgerichts benannt ist. Bis es zur Umbenennung durch die Stadt kam, hatten er und andere Leute aber zehn Jahre kämpfen müssen, sagte Arntz.

Er erinnerte auch an Jupp Weiß aus Flamersheim, einem Dorf, in dem bis zur Ausrottung durch die Nazis eine blühende jüdische Gemeinde existierte. Als Judenältester notierte Weiß im Vernichtungslager Bergen-Belsen, in das er deportiert worden war, die Namen von 15 000 Ermordeten, darunter die der berühmten Tagebuch-Autorin Anne Frank und ihrer Schwester Margot. Es gelang Weiß, die Liste für die Nachwelt zu erhalten. Nicht zuletzt erwähnte Arntz den Dechanten Joseph Emonds, der in seinem Kirchheimer Pfarrhaus Juden auf dem Dachboden versteckte, wahrend er gleichzeitig unten Nazis bewirten musste.

 

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