Garnison und Kaserne der Kreisstadt Euskirchen (1782-1980):
Die Kreisstadt Euskirchen und „ihre Soldaten“ –
„Vorläufer einer Garnison“ ab Ende des 18. Jahrhunderts

von Hans-Dieter Arntz
(In:  Jahrbuch des Kreises Euskirchen 1979/80, S. 88-95)
20.09.2008

DasSchicksal der Euskirchener Kaserne auf der Kommerner Straße spiegelt nicht nur die  Stadtgeschichte wider, sondern auch die Wechselhaftigkeit deutscher Historie.

Ratsbücher und  städtische Protokolle sowie unzählige Urkunden im Stadtarchiv beweisen, dass Euskirchen zwar offiziell erst am 23.5.1912 Garnisonstadt wurde, aber „Vorläufer einer Garnison" ab Ende des 18. Jahrhunderts nachweisen kann.

Heimatforscher wie Karl Gissinger und Peter Simons haben nachgewiesen, dass die Stadt Euskirchen häufig Aufmarschgebiet fremder Kriegsvölker war. Einquartierungen, Plünderungen und Zerstörung durch eine meist ausländische Soldateska hatten sich dabei auf die wirtschaftliche  Entwicklung der rheinischen Voreifel ausgewirkt.

Kurfürstliches Standquartier, Dauergarnison und Gendarmerieposten

Einmal hatte Euskirchen aber auch Soldaten des Landesherrn  für längere Zeit als Dauergarnison zu beherbergen. Das war in den Jahren 1782 bis 1794.

Die Landstände des Herzogtums Jülich hatten die Aufstellung eines Jülicher Sicherheits-Dragonerkorps beschlossen, dem der Kurfürst durch Edikt vom 6. September 1782 den Kampf „gegen alles lichtscheue Gesindel“ übertrug. Die Organisation umfasste, wie Simons berichtet, insgesamt 64 Mann; davon waren 4 Offiziere und 40 Mann beritten. Der Oberkommandierende wohnte in Düren, dem Mittelpunkt des Landes. Hier erfolgte die Einstellung und Ausbildung der Rekruten; auch befand sich dort die „Stockwacht" zur Bestrafung von Dienstvergehen. Mitglieder des Korps konnten Landesangehörige und Ausländer werden, soweit sie die vorgeschriebene Kaution hinterlegten, die für einen Gemeinen 100 Reichstaler und bei den Chargen steigend bis zu 2000 Florien betrug. Es handelte sich also um  eine Elitetruppe. Ihre Uniform bestand aus gräulichem Tuch, gelben Hosen und Westen sowie schwarzem Dreispitz mit weißblauer Kokarde (den Farben von Pfalz-Neuburg), die Bewaffnung aus Säbel, Karabiner und Pistolen.

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Das „Volksblatt" vom 19. Januar 1938: Ein großer Tag für Euskirchen

Von dieser Truppe wurden nach Euskirchen ins Standquartier gelegt: der Oberleutnant Holthausen, ein Korporal und vier Mann mit drei Pferden. Die Leute waren in Bürgerquartieren untergebracht und erhielten gemäß kurfürstlicher Verordnung gegen Vergütung von drei Stübern eine „Hausmannskost", bestehend aus Suppe und Gemüse, 1/2 Pfund frischem Fleisch oder 1 /4 Pfund Speck. Die Stadt musste für die Truppe einen besonderen Pferdestall mit zwölf Ständen erbauen; sie hat also auf Verstärkung der Garnison gerechnet, die aber nicht eingetreten ist. Oberleutnant Holthausen machte mit seiner Truppe bei Tag und Nacht unvorhergesehene Streifzüge durch das Gebiet von Euskirchen, Gemünd, Heimbach, Nideggen bis nach Düren, Jülich, Kastert und Bergheim. Man stellte dem herrenlosen und vagabundierenden Gesindel nach; außerdem unterstützte das Korps die städtische Bürgerwache von Euskirchen an Tagen mit zahlreichem Fremdenverkehr.

Zwischen der Stadt und ihrer Bürgerschaft sowie der kleinen Garnison entwickelte sich alsbald ein freundschaftliches Verhältnis. Der Magistrat beschloss als Beweis des Vertrauens, dem Dragonerkorps die ständige Sorge für Ruhe und Sicherheit der Stadt Euskir­chen zu übertragen. Der patriarchalische Zustand erlitt aber bereits nach zwei Jahren eine Störung, als die Dragoner im Jahre 1784 begannen, dem polizeilichen Verbot zuwider auf Straßen und Gassen und sogar in den Pferdeställen Feuer zu schlagen und Tabak zu rauchen. Der Bürgerschaft von Euskirchen waren jedoch die Schrecken des großen Brandes vom 20. März 1782, bei dem 23 Wohnhäuser und Scheunen eingeäschert wurden, noch in zu frischer Erinnerung. Sie beschwerten sich bei dem  Oberleutnant Holthausen. Als dies nichts fruchtete, wandten sich die Euskirchener Bürger an den Oberkommandierenden der Dragoner Schetz in Düren. Aber auch dieser Schritt hatte keinen nennenswerten Erfolg, so dass das Tabakrauchen der Dragoner an verbotener Stelle stets eine Quelle von Meinungsverschiedenheiten blieb, bis beim Einmarsch der Franzosen im Oktober 1794 die kleine Jülicher Garnison abzog.

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Appell auf dem neuen Kasernenhof in Euskirchen

Später wurde eine Brigade der französischen National-Gendarmerie nach Euskirchen gelegt. Sie bestand im Rurdepartement aus einem Kapitän, 28 berittenen und 44 Fußbrigaden zu je 5 Mann, 4 Leutnants, 9 Quartiermeistern zu Pferde und einem zu Fuß. Die nach Euskirchen gelegte Brigade nahm laut Mitteilung des „Maire“ Krauthausen Station in den Gebäuden des ehemaligen Kapuzinerklosters (altes Krankenhaus). Da dessen Räumung 1802 erfolgte, muss also diese Garnison in einem der folgenden Jahre in unserer Stadt er­schienen sein. Die National-Gendarmerie wurde namentlich zur Bekämpfung des da­mals grassierenden Räuber-Unwesens eingesetzt. Sie verschwand mit dem Ende der französischen Fremdherrschaft im Jahre 1814.

Nach der Vertreibung Napoleons hatte Euskirchen sehr oft preußische bzw. deutsche Soldaten als Quartiergäste, die vor dem 1. Weltkrieg manchmal wochenlang blieben und – wenn man den damals erschienenen Zeitungs­artikeln glauben darf –, stets mit Bedauern von der Kreisstadt schieden.

1912 Garnisonstadt

Tatsächlich schien sich das Militär im Kreis Euskirchen sehr wohl zu fühlen. Der Stadthistoriker Peter Simons  erinnert an diesbezügliche Ereignisse und Daten:

Am 5. September 1842 stand das 8. Armeekorps bei Großbüllesheim in Parade vor dem König Friedrich Wilhelm IV. Damals glich die Kreisstadt einem Heerlager.

Am 15. September 1877 wurde Kaiser Wilhelm I. anlässlich der großen Manöver des 8. Armeekorps und der Kaiserparade beim Einzug in Euskirchen feierlich begrüßt.

Am 22. September 1884 führte General von Loe´ dem Kaiser Wilhelm I. und der Kaiserin Augusta das 8. Armeekorps in der großen Kaiserparade bei Lommersum vor. Der Kron­prinz Friedrich, Moltke und Bismarck passierten am 23. September auf der Fahrt zu den Manövern die Stadt Euskirchen.

Wen will es da wundern, dass Euskirchen am 8. Mai 1912 begeistert war, als nachmittags um drei Uhr die Extrablätter der Lokalpresse mitteilten: „Soeben ist bei Herrn Bürgermeister Disse die zuverlässige Mitteilung aus Berlin eingetroffen, dass die Garnison für Euskirchen, und zwar für ein Bataillon Infanterie, genehmigt ist." Die Bürgerschaft schmückte spontan die Häuser mit Fahnen.

Als Anfang Februar 1912 bekannt geworden war, dass eine große Heeresvergrößerung  geplant  sei, durch die eine große Anzahl kleinerer Garnisonen geschaffen werden sollte, erklärte  Bürgermeister Disse in der Stadtverordneten­sitzung vom 13. Februar auf eine Anfrage hin, dass er sich um eine Garnison bemü­hen werde.

Man wusste in der Bürgerschaft, dass ein diesbezüglicher  Antrag nach Berlin gegangen war und dass   man sich der Mitarbeit des damaligen Vertreters des Kreises im Reichstage, Geheimrat Prof. Dr. Fassbender, versichert hatte. Zudem war bekannt, dass der Bürgermeister mit zwei Stadtverordneten im Kriegsministerium vorgesprochen und von dem Vertreter des Kriegsministers,  Generalleutnant v. Wachs, den Bescheid erhalten hatte, Euskirchen sei „vorgemerkt". Aber Genaues wusste man nicht, weil die Lokalpresse, einem Wunsche des Bürgermeisters folgend, sich stärkste Zurückhaltung in der Berichterstattung über die Garnisonfrage auferlegte.

Um so mehr war aber darüber in benachbarten Zeitungen zu lesen. Eine sensationelle Mitteilung jagte die andere. Als dann gemeldet wurde, dass in der Petitionskommission des Reichstages -  bei der Beratung einer Eingabe des Reichsverbandes deutscher Städte - ein Vertreter des Kriegsministers erklärt habe, dass sich nicht weniger als 273 Städte um eine Garnison beworben hätten und dass aber bei der Prüfung die­ser Gesuche nicht nur strategische Momente zu berücksichtigen seien, sondern auch die Unterkunftsverhältnisse, das Entgegenkommen der kommunalen Behörden, Exerzierplätze, ferner Schul-, Wohnungs- und sanitäre Verhältnisse eine Rolle spielten, sanken die Hoffnungen der Euskirchener Bürgerschaft.

Bisher war es gelungen, die eifrigen Bemühungen der Stadtverwaltung um eine Erfüllung dieser Voraussetzungen geheim zu halten. Am folgenden Tag aber war im Euskirchener „Volksblatt" die Bestätigung zu lesen: „Wie wir in der Stadt gestern Nachmittag bereits durch Extrablatt bekannt gaben, ist durch den Reichstagsabgeordneten unseres Kreises, Herrn Professor Dr. Faßbender, telegraphisch hierher gemeldet worden, dass für Euskirchen ein Bataillon Infanterie und zwar das beim 160. Regiment neu zu bildende dritte Bataillon, genehmigt worden sei. Die Entscheidung ist in der gestrigen Sitzung der Budgetkommission des Reichstages gefallen. Da im Plenum wohl kaum noch auf die Einzelheiten der Wehrvorlage eingegangen wird und da ferner die Annahme der Wehrvorlage durch eine stattliche Mehrheit des Reichstages gesichert ist, so dürfen wir die gestrige Entscheidung als eine definitive betrachten."

Die Nachricht wurde von der Bürgerschaft mit großer Freude begrüßt. Wenn man auch zugab, dass die mit einer Garnison verbundenen wirtschaftlichen Vorteile häufig überschätzt würden, so stand  doch fest, dass Euskirchen mit ihrer neuen Funktion als  Garnisonstadt ganz besonders an Bedeutung gewann. Aus den Unterlagen ist heute nicht mehr ersichtlich, welchen Einflüssen und Umständen die Kreisstadt es zu verdanken hat, bevorzugt worden zu sein. Tatsache ist jedoch, dass die Mitglieder des Euskirchener Kriegervereins während einer Veranstaltung erfuhren, dass schon bald mit dem Bau der Kaserne begonnen würde.

Da die amtliche Bestätigung noch ausstand und in den auswärtigen Zeitungen irreführende Artikel erschienen, wurden erneut Stimmen laut, die den Erfolg des Bürgermeisters bezweifelten. Am 23. Mai 1912 bestätigte jedoch das Kriegsministerium, dass Euskirchen als Garnison für ein Bataillon Infanterie bestimmt worden sei. Und wenige Tage später kam der zuständige Abteilungsleiter im Kriegsministerium zur Ortsbesichtigung und zum Abschluss der Verhandlungen.

Die Kaserne

Die Kaserne auf der Kommerner Straße wurde vor Beginn des 1. Weltkrieges nicht mehr fertig. Statt der Soldaten eines Bataillons des Infanterie-Regimentes 160 zogen hier Landwehrmänner ein; das Landwehr-Infanterie-Regiment 29 hatte während des Krieges hier seine Unterkunft. Bevor die Soldaten in ihre Stellungen ausrückten, wurden sie auf dem Euskirchener Kasernenhof gedrillt.

Nach dem Waffenstillstand im November 1918 fluteten die deutschen Truppen auch durch Euskirchen zurück. Am 24. November 1918 hielt sich der geschlagene General von Below mit seinem Stab in Euskirchen auf und war abends Gast im Lyzeum der Dominikanerinnen.

Nach dem Bericht der Kreisverwaltung über die Entwicklung des Kreises Euskirchen in den Jahren 1910-1928 erschienen die ersten Besatzungstruppen in der Stadt am Vormittag des 6. Dezember 1918 in Kraftwagen, dann englische Kavallerie und kleine Infanterieabteilungen. Nach der offiziellen Besetzung Euskirchens folgte das kanadische Corps und schlug hier sein Hauptquartier auf. Als dauernde Besatzung kamen dann Teile des 9. englischen Corps nach Euskirchen, bestehend aus dem Hauptquartier, Infanterie- und Artillerieabteilungen, einer Pionierpak, Lazaretten und großen Autoparks. Die Zahl der Besatzungstruppen betrug zu dieser Zeit ungefähr 4500 Mann. Da die zur Verfügung stehenden Gebäude für die Truppen nicht ausreichten, wurde an der Billiger Straße ein Holzbarackenlager, das so genannte „englische Lager", eingerichtet.

Gemäß Artikel 428 des Versailler Vertrages vom 28. Juni 1919 wurden die deutschen Gebiete westlich des Rheins – einschließlich der Brückenköpfe Köln, Koblenz und Mainz – durch Truppen der alliierten und assoziierten Mächte endgültig besetzt. Das Rheinlandabkommen vom 28. Juni 1919 legte wichtige Rechte auf dem Gebiete der Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung in die Hand einer besonderen Zivilbehörde, der Interalliierten Oberkommission für die Rheinlande.

Im November 1919 begann dann die Ablösung der britischen Truppen (inzwischen Teile des 10. Corps) durch das französische Tirailleurregiment. Am 5. November 1919 kamen die ersten französischen Quartiermacher nach Euskirchen. Offiziere und Unteroffiziere wurden in Bürgerquartieren untergebracht. Die Gesamtzahl der beschlagnahmten Zimmer betrug über 500. Neben diesen waren noch mehrere Häuser und sonstige Unterkünfte für Büros, Kantinen, Lager und Soldatenheime beschlagnahmt. Die Wohnungsnot in Euskirchen wurde dadurch noch drückender.

 Bald richtete man das System der Kreisdelegierten ein. Die Kreisdelegation befand sich im Hinterhaus der Kreisverwaltung – damals auf der Kölner Straße. Die Ortskommandantur war in der früheren deutschen Infanteriekaserne auf der Kommerner Straße, wo auch zwei Marokkanerbataillone untergebracht waren. In der Ostschule lag ein Bataillon des 12. Tirailleurregiments, das vorwiegend aus tunesischen Truppen bestand. Das so genannte „englische Barackenlager" an der Billiger Straße bot anfangs Unterkunft für kleine Truppenteile, wurde dann aber durch den Bau von massiven Baracken bis zur Unterbringungsmöglichkeit von einem Bataillon vergrößert. Nach Fertigstellung dieses Lagers wurde das Tivoli-Restaurant an der Kölner Straße als Depot verwandt; später wurden die besetzte Ost- und Berufsschule freigegeben. Zur Unterbringung einer großen Artillerie-Reparaturwerkstätte baute man im Villenviertel an der Münstereifeler Straße ein massives Barackenlager. Hier wurden unter französischer Aufsicht deutsche Arbeiter beschäftigt.

Seit April 1926 hatte die Stadt Euskirchen eine Besatzung von zwei Jäger-Bataillonen. Diese waren untergebracht in der Kaserne an der Kommerner Straße, im „englischen Lager" und im „Artilleriepark" in der Münstereifeler Straße. Erst in der Nacht vom 30. November zum 1. Dezember 1929 wurden die Kasernen im Rahmen der „Räumung der zweiten Besatzungszone" verlassen.

 

kaserne2 Generalleutnant Kühne beim Einzug am 17. Januar 1938.

SA-Hilfswerklager (1935)

Jahrelang stand die Euskirchener Kaserne leer. Erst am 21. September 1935 wurden die Euskirchener daran erinnert, dass es diese einst stattlichen Gebäude überhaupt noch gab. Der Westdeutsche Beobachter, Lokalteil Euskirchen, stellte unter der Überschrift „Das SA-Hilfswerklager in Euskirchen – Aus Schutt und Asche entstand eine Schule deutscher Arbeits- und Handwerksschulung" den Einsatz markiger SA-Männer dar, die die Anlagen renovierten und neu aufbauten. Anfang 1935 wurde das Hilfswerklager in Euskirchen von der Gruppe Niederrhein errichtet.

Das erste Arbeitskommando, das aus 30 Nationalsozialisten bestand, hatte viel Arbeit: allein in der Exerzierhalle mussten 1300 neue Fenster eingesetzt werden. Die Tätigkeit der SA-Männer wurde folgendermaßen geschildert: „ . . . Jahrelange Benutzung durch die schwarze Besatzung hatten die Gebäulichkeiten der Kaserne in einen Zustand versetzt, der kaum zu beschreiben ist. Nur um ein einziges Beispiel anzuführen, wollen wir berichten, dass diese schwarzen „Kulturträger", als einmal der Abfluss einer Abortanlage verstopft war, es nicht für nötig hielten, denselben zu reinigen, sondern sie schlugen einfach in den Boden der Bedürfnisanstalt Löcher, wodurch der ganze Kot in den darunter liegenden Kel­ler lief. Die Kellertür hatte man vorher abgedichtet, so dass sich der Unrat im Laufe der Zeit in diesem Kellerraum meterhoch ansammelte. Ganz abgesehen von dem gefährlichen Seuchenherd, der hierdurch entstand, ist dieser Zustand ein Zeichen der Zeit gewesen, in der unsere Vaterstadt schwarze Truppen als Vertreter der „Grande Nation" in ihren Mauern beherbergen musste . . ."

Die SA-Leute, die jahrelang arbeitslos waren, sollten im Hilfswerklager Euskirchen „durch berufliche und weltanschauliche Schulung, durch gesunden Sport, wieder eine neue innere Haltung und Freude am Leben" bekommen. Die Werkstätten, die sich ebenfalls in der Kaserne an der Kommerner Straße befanden, wurden von Handwerksmeistern geleitet und sollten keine Konkurrenz für die eingesessenen Handwerksbetriebe sein.

Nachdem ein SA-Mann ein halbes Jahr im Hilfswerklager verblieben war, wurde er seinem heimatlichen Arbeitsamt wieder zugewiesen. Alte Euskirchener geben zu, dass die Kaserne tatsächlich „wieder auf Vordermann gebracht" wurde. Immerhin sah der Zustand nach dem Abzug der französischen Besatzungstruppen folgendermaßen aus:  „Kaum eine Fensterscheibe war noch ganz, Fußboden und Türen waren im Laufe der Jahre heraus gebrochen und zum Teil als Brandholz gebraucht worden, Schlösser fehlten an den noch vorhandenen Türen, sämtliche Zapfstellen und Messinghähne waren abgedreht. Wo der Fußboden noch vorhanden war, verfaulte und vermoderte er wegen der zerstörten Fenster und des eindringenden Regens. Keine einzige Wasserleitung und kein Abflussrohr war mehr in Ordnung.“

1938 wieder Garnison

Am 17. Januar 1938 bejubelte das Euskirchener Volksblatt den „denkwürdigen Tag in unserer Stadtgeschichte": Euskirchen wurde wieder Garnison. Wörtlich hieß es: „Ganz Euskirchen war auf den Beinen, die Häuser waren mit Wimpeln, Fahnen und Girlanden geschmückt, Trommelwirbel, marschierende Abordnungen der Militärvereine, der Abteilungen der HJ . . ."

Am Eingang der Kölner Straße, wo man den Einzug des MG-Bataillons 1 erwartete, hatte man einen Ehrenbogen zum Willkommensgruß errichtet. Vom Beginn der Kölner Straße am Stadtausgang bis zur Kaserne hin bildeten Bürger Euskirchens und des Kreises, Zuschauer von nah und fern, Spalier und begrüßten die marschierenden Soldaten. „Mit anerkennender und dankbarer Freude zeichnen wir die Anwesenheit einer Abordnung von Landsleuten aus den abgetretenen belgischen Kreisen, die mit der hiesigen Landsmannschaft an der Feier teilnahmen und deren Fahne durch die Aufstellung in der vordersten Reihe des Fahnenblocks eine besondere Ehrung zuteil wurde" (Volksblatt).

Nach der Übergabe der Kaserne an den Bataillonskommandeur verdichteten sich die Zuschauermassen noch einmal um den Gebäudeblock an der Kommerner Straße, um an weiteren Feierlichkeiten und Besichtigungen teilnehmen zu können. Im Hotel Joisten am Markt hatte die Stadt abends Vertreter der Euskirchener Öffentlichkeit geladen und führte sie erstmalig mit dem Offi­zierskorps der Garnison zusammen.

Der Einmarsch des MG-Bataillons 1 ist heute noch vielen Euskirchenern in Erinnerung. Das Volksblatt berichtete darüber am 17. 1. 1938: „Im großen und geräumigen Hof der Kaserne bot sich das Bild einer überaus festlichen Bereitschaft. In andauernder Folge marschierten Abordnungen der Militärkameradschaften Euskirchens, die Feuerwehr, eine Rot-Kreuz-Kolonne, der Soldatenbund, NSKOV usw. ein und formierten sich neben den schon angetretenen Abteilungen der nationalen Gliederungen. Eine große Zahl von Ehrengästen, die Vertreter von Kreis- und Gemeindebehörden, Leiter der Verwaltungsstellen der Stadt, der Schulen und dergleichen bildeten das vordere Glied der Zuschauerkette, die sich über die ganze Länge des Kasernenhofes zog. Hier zogen Soldaten ein, die ein ganz modernes Jahrhundert hervorbrachte, Soldaten, die auf der härtest-erprobten Kriegstechnik eines Weltkrieges aufbauten und die sich die Errungenschaften der Technik bis zur letzten Möglichkeit in den Dienst ihres Waffenhandwerkes zwangen. Ihnen spielte die Regimentskapelle des Kölner Inf.-Regiments 77 die Musik zum Gedröhn der Motoren . . . Der Kommandeur der 26. Division, Generalleutnant Kühne, der bald darauf eintraf, schritt mit dem Bataillonskommandeur, dem Kreisleiter Köppe und mit Bürgermeister Disse die Front des angetretenen Bataillons und darauf die Reihen der angetretenen Formationen ab . . . Mit der feierlichen Übergabe der Schlüssel wurde Major Andre als Kommandeur seines Bataillons dann Hausherr der Kaserne."

Am 28. November 1938 berichtete das Euskirchener Volksblatt über die erste Vereidigung von Rekruten in Euskirchen. Am Kopfende des großen Kasernenhofes war das mit Reichskriegsflagge geschmückte Rednerpult mit dem Mikrofon aufgestellt, flankiert von zwei Pak-Geschützen, Maschinengewehren und Gewehrpyramiden. Die zu vereidigenden Kompanien hatten im Karree Aufstel­lung genommen, als der Präsentiermarsch aufklang und Oberstleutnant Andre mit Kreisleiter Köppe die Fronten der zur Vereidigung angetretenen Kompanien abschritt. Nach feierlichen Chorälen richteten sich der katholische Geistliche, Kaplan Beckmann, und der evangelische Pfarrer Strackerjahn, an die Rekruten und führten ihnen die Bedeutung des Eides vor Augen. Dann folgte die feierliche Vereidigung.

Dass die Euskirchener mit vollem Herzen an „ihrem" MG-Bat. 1 hingen, war auch in den nächsten Jahren deutlich. Als seit dem 25. Juni 1940 um 1.35 Uhr Waffenruhe in Frankreich herrschte und das Bataillon über Metz zurück nach Cochem verlegt wurde, gab es in Euskirchen keinen Zweifel, dass es bald ein Wiedersehen geben würde. Tatsächlich stimmten die Dienststellen nach langem Zögern endlich zu, dass im Juli 1940 das Bataillon für acht Tage in die alte Garnisonstadt verlegt wurde. Es gab einen triumphalen Einzug. Am Stadtrand zwischen Euskirchen und Rheder, am Stotzheimer Weg, wurde die Truppe vom Vertreter der Stadt begrüßt. Die Fahrt durch Euskirchen selbst war ein Triumphzug durch ein Blumenmeer! Neben manchem Soldaten war auch der Kompaniechef, Oberleutnant Schmitz, einst begeisterter Handballer beim ESC, gefallen. Auch der zweite Kompaniechef, Oberleutnant Ahland, fiel am 21. Juni 1941 sofort beim Einmarsch nach Russland. Wie später die Rundschau vom 5. 9. 1959 berichtete, zeichneten sich die einst in Euskirchen stationierten Soldaten im Russlandfeldzug besonders aus. Die Kampfrichtung ging überStalino, Donezbecken nach Stalingrad. Das Bataillon erreichte als erste Truppe die Wolga am Nord­rand von Stalingrad.

Nach dem 2. Weltkrieg

Nach dem Einmarsch der Amerikaner in Euskirchen am 4. März 1945 begann für die Kreisstadt die Besatzungszeit. Die Zuständigkeit von Hauptmann Hill als Kommandant der Militärregierung erstreckte sich auf das ganze Kreisgebiet. Hill residierte zuerst im Hotel Joisten, dann in der Villa Friedrichsruh in Kessenich.

Die zahlreichen Fremdarbeiter und freigelassenen russischen Kriegsgefangenen, die zum Teil auch ausgebrochen waren und anfangs plündernd herumzogen, machten große Schwierigkeiten. In den Wäldern der Eifel und um den Michelsberg hielt sich bis August ebenfalls ein Trupp ehemals gefangener Russen auf. Nachts brachen sie in Gehöfte ein, um sich Lebensmittel zu besorgen. Fühlten sie sich bedroht, warfen sie Handgranaten. Auch die Bevölkerung der Kreisstadt atmete auf, als die Russen endlich wieder den Weg in die Euskirchener Kaserne fanden, wo sie von der Besatzung bis zu ihrem Abtransport untergebracht wurden.

Im Juni 1945 zogen nach dem Abmarsch der Amerikaner britische Truppen in Euskirchen ein. Als britischer Kreiskommandant fungierte zunächst Major Willcocks und ab Januar 1946 Oberstleutnant Manley. In die von den Russen inzwischen geräumte MG-Kaserne an der Kommerner Straße zog am 10. August 1945 britisches Militär ein. Am 1. November 1945 wurde auch die Funkkasrne an der Frauenberger Straße von britischen Truppen belegt.

Ab April 1946 wurden die britischen allmählich von belgischen Truppen abgelöst. Diese beschlagnahmten zur Unterbringung ihrer Familienangehörigen eine große Anzahl von Häusern mit allem Mobilar. So wurden zum Beispiel bis Juli 1947 rund 61 Häuser mit 140 Wohnungen konfisziert. Auch 1955 waren noch 52 Häuser mit 130 Wohnungen, zwei Kasernen und etliches Ackerland und Waldbestand beschlagnahmt.

Nach Angabe des Platzkommandanten betrug die Anzahl der regelmäßig in Euskirchen stationierten Soldaten Ende 1962 genau 2.980 und die ihrer Angehörigen 1.574. Der Verwaltungsbericht der Stadt Euskirchen, 1959-1962, konstatierte: „Die Angelegenheiten der Verteidigungsstreitkräfte werden vom Landkreis Euskirchen bzw. von der Be­zirksregierung Köln bearbeitet. Die Stadt ist hiermit nicht mehr befasst . . ." 1966 fasste der Verwaltungsbericht zusammen: „Zur Zeit sind in Euskirchen folgende Einheiten stationiert:

Belgische Einheiten:
2. Regiment Lanciers, Kaserne Loncin
2. Regiment Guidsen, Kaserne Loncin
3. Bataillon der Karabiniers Wielrijders, Kaserne Zelzaete, 52. Raketen-Geschwader, Kaserne Zelzaete.

Vor zwei Jahren zogen die letzten belgischen Truppen aus Euskirchen ab. In wenigen Jahren werden wieder deutsche Soldaten die Euskirchener Kaserne beziehen. Es ist geplant, so der Bundesminister der Verteidigung, die Ka­serne an der Kommerner Straße ab 1. Oktober 1981 mit einem Feldartilleriebataillon und einem Jägerbataillon des Territorialheeres zu belegen. Beide Verbände zusammen haben eine Stärke von etwa 1000 Soldaten.

Für 1983 ist die Verlegung des Militärgeographischen Amtes von Bonn in die Funkkaserne an der Frauenberger Straße vorgesehen. Dort wird eine völlig neue Kaserne entstehen.

Benutzte Literatur:

Akten, Ratsprotokolle, Urkunden aus dem Stadt- und Kreisarchiv Euskirchen
Hauptstaatsarchiv Düsseldorf
Gissinger, Karl: Geschichte Euskirchens, Euskirchen 1902
Hubert Meyer, Euskirchen – So wie es war, Bd. 1 und 2 (1974/77)
H.-Dieter Arntz: Chronik der Marienschule, Euskirchen 1978
Verwaltungsbericht der Stadt Euskirchen 1959-1962 sowie 1963-1966
Bericht über die Entwicklung des Kreises Euskirchen (1910-1928), Band 1
Aufzeichnungen und Erinnerungen alter Euskirchener Bürger
Verwaltungsberichte der Stadt Euskirchen ab 1952
Zeitungsarchiv: H.- Dieter Arntz (Euskirchen-Rheder)
Tageszeitungen: Euskirchener Zeitung, Volksblatt, Lokalteil des Westdeutschen Beobachters, Rundschau (1918-1955)

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