Im Gespräch: Hans-Dieter Arntz

von Pejo Weiss
(aus: Neues Rheinland vom September 1986)
23.01.2007

hda

 

Wie macht man das: In schneller Folge mehrere inhaltlich sehr unterschiedliche Bücher herausgeben, die Dokumentationen sind, und gleichzeitig ohne Fehlzeiten, ohne Freistellung oder zusätzliche Ferien als Oberstudienrat an einem renommierten Gymnasium unterrichten?

Der Autor Hans-Dieter Arntz, 44, aus Euskirchen, von dem die Rede ist, ist nach seinen Worten ein Nachtmensch. Er kommt monatelang mit vier Stunden Schlaf je Nacht aus, und nachts, wenn alles schläft, hat er die absolute Ruhe, die er braucht, um in seinem hervorragend geordneten Archiv jene Dokumente zu finden, auf denen seine Bücher aufbauen. Der Drang, alles Wissen schriftlich zu haben, um darauf zurückgreifen zu können, entwickelte sich bei der Ahnenfor-schung. Was immer ihm wichtig schien, kopierte er, ordnete es ein, legte saubere Nach-schlaglisten an – „korinthen-kackerhaft“ nennt er seine Arbeit mit einem rheinischen Ausdruck.

Er ist in der Tat zumindest halber Rheinländer, auch wenn er 1941 in Königsberg geboren wurde: Die Mutter war Bönnsche, die einen westfälischen Juristen heiratete, den der Dienst nach Ostpreußen verschlug. Die Russen trieben die Familie zurück an den Rhein, in Bonn wuchs das Kind auf, besuchte die Schulen und schließlich die Universität: Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt politische Wissenschaften.

Den ersten Rückgriff auf sein Archiv unternahm er im Auftrag der Stadt Euskirchen: Schon 1973 schrieb er „Die Entwicklung des Euskirchener Schulwesens unter besonderer Berücksichtigung der Industrialisierung“. Aber das Material in seinem Kopien-Fundus gab mehr her: Kinderarbeit war ein Thema, das er in Zeitungsfolgen veröffentlichte. Und dann fand er immer mehr über die Juden im Kreis Euskirchen. Wie im „Judenspiegel“, einer ständigen Rubrik in einer Lokalzeitung zur NS-Zeit, Mitbürger an den Pranger gestellt wurden, das traf ihn persönlich zutiefst. Er beschloss, die Herausgabe eines Buches über die Juden „auf dem platten Lande“ – aber Zustimmung fand er nirgendwo, als sein Vorhaben bekannt wurde. Die Stadt sah so viele Jahre nach Kriegsende keine moralische Verpflichtung zur Unterstützung des Vorhabens. Die Zeitungen griffen den Fall auf, die Bevölkerung, vor allem die junge Generation, stellte sich auf seine Seite, ein Verleger fand sich und „JUDAICA – Juden in der Voreifel“ konnte erscheinen. Nun ist die dritte Auflage in Vorbereitung.

Es gab durch das Buch Wiedersehensfeiern, Familienzusammenführungen, Ehrungen durch den Staat Israel und kürzlich auch das Bundesverdienstkreuz (1985). Zu einem Treffen von Angehörigen jüdischer Familien veröffentlichte Arntz ein Begleitbuch, „Wir in Flamersheim“.

Zwischendurch schrieb er eine Chronik „Unser Weg“ des Gymnasiums Marienschule, an dem er lehrt.

1984 kam das bisher umfangreichste Buch auf den Markt: „Kriegsende 1944/45 zwischen Ardennen und Rhein“, in dem er unendlich viele Kriegstagebücher und weithin unbekannte Dokumente verwerten konnte. Seit wenigen Wochen liegt eine Dokumentation über die „Ordensburg Vogelsang“ in den Buchhandlungen – wobei der Autor wieder einmal spüren musste, dass es mit der Vergangenheitsbewältigung bei manchen Bürgern nicht weit her ist: Die „Kameradschaft ehemaliger Ordensjunker“ begründete eine schriftliche Absage an die Mitarbeit mit dem Hinweis, dass der Bogen von den langjährigen Forschungen über das Eifeler Judentum bis hin zur Ordensburg „etwas gewagt erscheint“.

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