Auf den Spuren ihrer Euskirchener Vorfahren: Die amerikanische Studentin Samantha Horn, Enkelin der bekannten jüdischen Kaufmannsfamilie

von Hans-Dieter Arntz
02.06.2009

Horn01Jedem, der sich für die jüdische Regionalhistorie der Voreifel interessiert, ist der Name HORN ein Begriff, denn außer der stattlichen Synagoge in Euskirchen gab es nur noch ein Gebäude, das während des Novemberpogroms 1938 systematisch abgebrannt wurde: das jüdische Warenhaus HORN am Anfang der Kommerner Straße, nahe am Viehplätzchen. In den Büchern JUDAICA- Juden in der Voreifel und dem Dokumentationsband „REICHSKRISTALLNACHT“ gibt es einige historisch durchaus seltene Fotos, die das brennende Gebäude und die untätige Feuerwehr zeigen. Zum letzten Mal publizierte ich eines dieser Fotos in der Serie SPURENSUCHE: „Reichskristallnacht“ im Altkreis Euskirchen am 15. Oktober 2008 im Euskirchener Wochenspiegel.

 

Die Kontakte zu dieser jüdischen Familie konnte ich seit etwa 3 Jahrzehnten in lockerer Form aufrecht erhalten, auch wenn sie stets mit schmerzlicher Erinnerung verbunden waren. Einen Höhepunkt an Emotionen gab es im Jahre 1997, als das Euskirchener Amtsgericht für eine Mitbürgerin einen Aufruf erließ, in dem es um eine offenbar wiederentdeckte jüdische Immobilie ging:

(…) Aufgebot zur Ausschließung des Gläubigers der auf ihrem Grundstück Floisdorf (…) für den Kaufmann Arthur Horn (…), zuletzt wohnhaft in Euskirchen, Kommerner Straße, jetzt unbekannten Aufenthaltes, eingetragenen und mit 6 % jährlich verzinslichen Hypothek von 1900 Goldmark (…).

Horn02Um auch den weiteren Text des gerichtlichen Aufgebots 13-C-401/97 verständlicher zu machen: Ende der 20er Jahre war der junge Arthur Horn durch eine Hypothek Mitbesitzer eines Grundstückes im benachbarten Floisdorf und besaß auch noch 1997 ein Anrecht in Höhe eines Betrages, der noch in Goldmark hinterlegt worden war. Die Erben des Grundstückes wollten nun 1997 den Besitz veräußern, was ohne Erlaubnis so schnell nicht möglich war. Die erwähnte Euskirchenerin hatte sich daraufhin – laut Aufgebotes des Amtsgerichtes – erboten, „ (…) das Kapital mit vierjährigen Zinsen unter Verzicht auf das Recht zur Rücknahme zu hinterlegen“. Weiter hieß es in dem amtlichen Aufruf, der von der Regionalpresse veröffentlicht wurde:

Der Gläubiger wird aufgefordert, spätestens in dem auf den 25. Februar 1998 (…) anberaumten Angebotstermin seine Rechte anzumelden, widrigenfalls er nach der Hinterlegung des ihm gebührenden Betrages seine Befriedigung statt aus dem Grundstück nur noch aus dem hinterlegten Betrag verlangen kann und sein Recht auf diesem erlischt, wenn er sich nicht vor dem Ablauf (…) meldet.

Horn03Da mir spezielle Archivunterlagen zur Verfügung standen, legte ich am 27. Oktober 1997 beim Euskirchener Amtsgericht Einspruch ein und erbot mich, die neue Anschrift der Familie Horn ausfindig zu machen, was sich als sehr schwierig herausstellte, weil Arthur Horn gerade in einem Krankenhaus in Florida verstorben war. Die Angelegenheit musste dann – in leider unbefriedigender Weise - durch den jüngeren Bruder, Kurt Horn, abgeschlossen werden.

Die Erinnerung an Kurt Horn wurde wieder wach, als ich mit seiner 21jährigen Enkelin, Samantha Horn, zu Pfingsten vor dem Hause der Groß– und Urgroßeltern stand. Die junge Studentin wollte sich von mir an Ort und Stelle ihre Familiengeschichte, die eigentlich in KOMMERN und WEILERSWIST begann, erklären und veranschaulichen lassen. Nachdenklich stand sie vor dem Haus in der Kommerner Straße, das nach dem Kriege wieder in anderer Dimension aufgebaut worden war. Die Berichte über die „Reichskristallnacht“, sowie der Brand des kleinen Warenhauses, vor dem ihr Großvater geprügelt wurde, wurden wieder lebendig. Die Fotos von der Zerstörung wurden an Ort und Stelle begutachtet und gaben Anlass zu längeren Diskussionen.

Horn04Die jüdische Familie Horn aus Euskirchen wurde im Jahre 2008 erneut mit der Vergangenheit konfrontiert. In meinen NEWS vom 7. November 2008 informierte ich über ein neu erschienenes Buch, das einen erschütternden Holocaust-Bericht der damals 14jährigen Inge Rothschild aus Euskirchen (später Hellenthal) aus dem Jahre 1946 enthielt. Hierbei handelte es sich um die leibliche Tante von Samantha Horn.

In dem Buch wird die in der Kreisstadt Euskirchen am 18. Februar 1932 geborene Inge Rothschild dargestellt, die damals mit ihrer Familie in der Hochstraße 18 wohnte. Noch ehe diese Adresse in „Adolf-Hitler-Straße 18“ (1933) umbenannt wurde, verzog der Metzgermeister Max Rothschild mit seiner Familie schon am 25. August 1932 nach Kirschseiffen, einen kleinen Ort bei Hellenthal. Dennoch stand man mit den nächsten Verwandten - Jacob sowie Sara, Arthur und Kurt Horn in Euskirchen – weiterhin in naher Verbindung. Das gilt bis zum heutigen Tage. Heute lebt Inge Rothschild in den USA und will verständlicherweise absolut nicht mehr mit der schrecklichen Vergangenheit konfrontiert werden. Wenn auch zurzeit von einer Universität in den neuen Bundesländern ein Theaterstück über sie verfasst wird, so möchte die in den USA verheiratete Inge Rothschild verständlicherweise absolut nicht mehr mit der schrecklichen Vergangenheit konfrontiert werden.

Der Pfingstbesuch von Samantha Horn weckte Erinnerungen und knüpfte erneut Bande zu ehemals in Euskirchen beheimateten Mitbürgern und deren nachfolgenden Generationen. Bei der Gedenkveranstaltung „70 Jahre Reichskristallnacht“ sahen die Euskirchener Bürger ein Foto, das der Euskirchener Wochenspiel am 5. November 2008 folgendermaßen kommentierte:

Das vielleicht »schönste« Bild des Abends war ein Gruppenbild der heutigen Familie Horn - jener Familie, deren Kaufhaus an der Kommerner Straße am 10.11.1938 abgefackelt worden war. Die Nachkommen leben heute in den USA, sie bzw. ihre Vorfahren hatten das Glück, dem Terror, der Verfolgung und der Ermordung zu entkommen. Das gelang leider nur den Wenigsten.

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