Kriminalität in der Nachkriegszeit (1945 -1947) – Aus dem Gerichtssaal
und den amtlichen Mitteilungen des Kreises Euskirchen

(TEIL 1 )

von Hans-Dieter Arntz
22.06.2011

 

 

Die Stunde Null ist mit der deutschen Kapitulation, dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem chaotischen Übergang von Vergangenheit zur Zukunft zeitlich bestimmt. Viele Probleme haben u. a. mit folgenden Aspekten zu tun: Seelische Not, Jugend, Wirtschaft, Hamsterfahrten, Schwarzmarkt und auch Hunger nach Kultur.

Da auch viele Schüler meine regionalhistorischen Homepage besuchen, weise ich ganz besonders auf das Referat eines ehemaligen Chemnitzer Gymnasiasten hin, der am 10. Januar 2006 ein durchaus informatives Referat zu diesem Thema im Grundkurs Geschichte (Klasse 12) gehalten hat. Thesenartig listet seine Website Werner-Welt. de Sachverhalte auf, die ihm als Schüler zur Charakterisierung der „Stunde Null“ wichtig erschienen und stichwortartig auch heute bei Internet-Recherchen vorerst weiterhelfen können.

Vieles kann auch auf die Altkreise Euskirchen und Schleiden übertragen werden. Die meisten Probleme ähneln sich und sind somit nicht regionalbedingt. Der Leser dieses Online-Artikels - und auch des folgenden 2. Teils – möge jedoch selber beurteilen, ob sich in der Gegenwart die Formen sowie Motive oder die Häufigkeit der Kriminalität geändert haben. Es ist jedoch eine Tatsache, dass – trotz anderslautender Statistiken – die Kriminalität in Euskirchen und den benachbarten Städte und Ortschaften beängstigend gestiegen ist. Täglich berichten die regionalen Tageszeitungen von brutalen Überfällen und anderen Verbrechen, die die Einwohner doch mehr beunruhigen, als es die Behörden und Verwaltungen wahrhaben wollen. Exemplarisch soll auf eine der Gangs in Euskirchen hingewiesen werden.

Am 7. Juli 2011 veröffentlichte die Lokalausgabe des Kölner Stadt-Anzeigers unter der Überschrift „Abgebrühte, siegessichere Täter“ einige Leserbriefe, die das ganze Dilemma konstatieren. Diese beziehen sich auf den Bericht vom 31. Mai 2011: „Mehrere brutale Überfälle“.

 

Kriminalität in der Nachkriegszeit 1

 

Jedoch muss den Klagen widersprochen werden, dass früher alles besser, friedlicher und ruhiger gewesen ist. Besonders die Polizeiberichte der Nachkriegszeit, die Artikel im „Kölner Kurier“ oder die amtlichen Mitteilungen für Euskirchen listen präzise das strafrechtliche Geschehen in der Region auf. Dabei muss man jedoch immer wieder die damaligen Verhältnisse berücksichtigen, zumal viele Fälle im weitesten Sinne mit „Mundraub“ zu tun haben.

Am 13. November 1945 wird vom „Kölnischen Kurier“ zur „Bekämpfung von Eisenbahndiebstählen“ aufgerufen:

 „In letzter Zeit hat die Zahl der Eisenbahndiebstähle insbesondere von Kohlen und Kartoffeln erheblich zugenommen. Zur Sicherstellung der öffentlichen Versorgungslage sind scharfe Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Diebstähle getroffen worden. Eine erhöhte Überwachung durch die Bahnschutzpolizei wird das unbefugte Betreten des Bahngeländes, die Mitfahrt im Packwagen der Reisezüge und unbefugte Mitfahrt in Wagen für Zeitkarteninhaber bestimmt sind, verhindern (...).“

Am 24. Dezember 1945 hieß es:

 „Leichtfertige Anschuldigung! Der 50jährige Fritz K (...) aus Ahrem wurde beschuldigt, von Ende Mai bis Mitte Juni von dem Bauern Peter Z (...) in Lechenich durch Melken der auf der abgezäunten Weide stehenden Kühge sich 40 bis 50 Liter Milch rechtswidrig angeeignet zu haben. Der Beschuldigte konnte nachweisen, dass er zu der fraglichen Zeit in Erp weilte. Es erfolgte Freispruch“.

Nicht nur in meinen Büchern über das Kriegsende 1944/45, sondern auch auf dieser regionalhistorischen Homepage habe ich bereits über die Verbrechen der ehemaligen osteuropäischen Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen berichtet. Nach Kriegsende zogen viele Russen sowie Polen plündernd und auch mordend durch die Voreifel, um sich wegen des an ihnen begangenen Unrechts brachial zu rächen. Ihre Überfälle galten hauptsächlich den Bauernhöfen, wo sich allerdings auch deutsche Nachbarn betätigten. Hierüber berichtet der „Kölnische Kurier“ vom 11. Januar 1946:

 

Kriminalität in der Nachkriegszeit 2

 

Auch hungrige Städter, die zum „Hamstern“ auf das Land fuhren, Ausgebomte, Ostflüchtlinge, total Verarmte oder allein erziehende Mütter standen vor den Schranken des Euskirchener Amtsgerichtes. Dass manchmal sogar die neue „Obrigkeit“ oder Hilfspolizisten ihre Befugnisse überschritten, konstatiert der „Kölner Kurier“ vom 1. Februar 1946. Ein Hilfspolizist erwischt zum Beispiel Fremdarbeiter beim Plündern in einem zerstörten Haus und schafft selber mit einigen Komplizen deren Beute beiseite. Besonders erschütternd ist das Schicksal einer Mutter von 21 Kindern, die aus den Ruinen Möbel herausgeschafft hatte und dafür einen Monat Gefängnis bekam:

 

Kriminalität in der Nachkriegszeit 3

 

Am 22. Januar 1946 berichtet der „Kölner Kurier“ über den damals 26jährigen Landarbeiter Stephan D. aus Kuchenheim, der im Juli 1945 „vier der 49jährigen Ehefrau Jakob F(...) gehörende und in einem Lagerraum untergebrachte Koffer, in denen sich Gold- und Silbersachen, größtenteils Andenken, befanden, aufgebrochen und einen Teil der Sachen in Rauchwaren umgesetzt“ hatte. Dieser Diebstahl wurde mit vier Monate Gefängnis geahndet. Wenn heute überall von Datenschutz und Persönlichkeitsrecht gesprochen wird, so soll darauf hingewiesen werden, dass damals in allen Zeitungsartikeln und Veröffentlichungen der vollständige Vor- und Familiennamen genannt wurde.

 

Amtlicher Polizeibericht, veröffentlicht in den „Amtlichen Mitteilungen für Euskirchen“ am 25. April 1947

Auffinden einer Leiche

Am 21. April 1947 wurde im Walde, etwa 2 km süd­lich Scheuren, Bürgermeisteramt Münstereifel-Land, durch einen Forstbeamten eine bereits stark In Ver­wesung übergegangene unbekannte weibliche Leiche, die nur etwa 25 cm tief verscharrt war, gefunden. Füchse hatten das Grab aufgescharrt und Teile der Leiche in die nähere Umgebung verschleppt. U. a. wurden unweit der Fundstelle ein Paar Schaftstiefel nach Art von Militärschuhzeug, Größe 38, aufgefun­den. Reste eines Frauenmantels, der aus einer hei­len Wolldecke gefertigt war, sowie Teile eines Kor­setts und einer Perlen-Halskette befanden sich bei der Leiche. Aufgefundenes langes rotblondes Haar konnte sichergestellt werden. Nach dem Grad der Verwesung kann die Leiche bereits 3 - 4 Jahre an der Fundstelle gelegen haben. Wo wird seit dieser Zeit eine Frauensperson vermisst? Wem ist sonst etwas über die Persönlichkeit der Toten bekannt? Zweck­dienliche Angaben, die auf Wunsch vertraulich be­handelt werden, nimmt jede Polizei-Dienststelle ent­gegen. Die vorstehend erwähnten, sichergestellten Sachen können bei der Kriminalpolizei in Euskir­chen, Gerberstraße, besichtigt werden.

Ermittelte Täter zur Meldung über den Raubüberfall Wallentalerhöhe

Im Zusammenhange mit den Nachforschungen über Einbrüche und Diebstähle gelang es, das vierköpfige Komplott, welches bei dem Raubüberfall in Wallen­talerhöhe überrascht und vertrieben wurde, zu er­mitteln. Der von den Ortseinwohnern des Tatortes bei der Verteidigung verletzte Mann wurde einige Tage nach dem Vorfall auf dem Bahnhof in Zülpich gestellt und festgenommen. Erhebungen führten zur Feststellung der weiteren drei Männer. Es handelt sich um zwei Brüder, wovon einer In Zülpich-Hoven und der andere in Merzenich ansässig ist. Ein wei­terer Täter stammt aus Köln und der vierte aus Bonn. Alle sind dem Richter vorgeführt, welcher Haftbefehl erlassen hat. Die Männer gaben die Tat­ausführung zu. Eine Durchsuchung bei dem Täter in Zülpich-Hoven, dem vermutlichen Führer der Bande, förderte neben anderen Sachen aus der Woh­nung aus einem Versteck im Hühnerstall ein frisch geschlachtetes, schweres Schwein, vier schwere, ge­räucherte Schinken, 54 Gläser eingewecktes Fleisch, verschiedene Gläser .eingewecktes Obst, ein wertvolles Radiogerät und eine Menge Porzellan zu Tage. Alle Sachen rühren aus Diebstählen her. Außerdem wur­den im Bett versteckt drei Patronen vorgefunden. Nach der Festnahme wiederholt unternommene Fluchtversuche des gleichen Täters konnten vereitelt werden.

Festnahme eines Ausländers wegen dringendem Ver­dacht der Beteiligung an Raubüberfällen
Dieser Tage wurde ein in Liblar ansässiger Auslän­der festgenommen, der im dringenden Verdacht steht, an früheren Raubüberfällen in Liblar, Frauen­thal, Blessem und Niederpleis beteiligt gewesen zu sein. Er wurde nach Köln überführt, wo die weitere Aufklärung der Verbrechen durchgeführt wird.

Der amtliche Polizeibericht vom 4. Juli 1947 befasst sich mit Bahnpolizisten aus Euskirchen und Umgebung , die wegen ihrer Diebstähle „das Ansehen der deutschen Polizei sehr geschädigt“ hatten. Der damals 18jährige Kurt Sch(...) hatte sich ein rotes MP in seinen Pass gemalt und ein kleines MP-Abzeichen hergestellt, um sich als Angehöriger der amerikanischen Militärpolizei auszuweisen. In dieser Funktion „forschte er nach gestohlenen Ziigaretten.“ Wegen Amtsanmaßung und aufgrund seiner „jugendlichen Dummheit“ bekam er nur 6 Wochen Gefängnis.

 

Kriminalität in der Nachkriegszeit 4

 

Das Euskirchener Amtsgericht muss auch schon in der Nachkriegszeit sehr beschäftigt gewesen sein. Fahrraddiebstähle, Probleme mit Auslandsdeutschen, russischen und polnischen Fremdarbeitern, Amtsmissbrauch und falsche Identitätsangaben, Einbruch und Unterschlagungen waren offenbar typisch für das Chaos der Nachkriegszeit. Am 11. Juli 1947 konnte man in den „Amtlichen Mitteilungen für Euskirchen“ lesen:

 

Kriminalität in der Nachkriegszeit 5

 

Die Vergehen und Verbrechen häuften sich in Euskirchen und Umgebung. Der „Amtliche Polizeibericht“ listet auf: Betrügereien, Amtsunterschlagung, Umhertreiben, Diebstahl, Verkehrsunfälle, Brandstiftung, Körperverletzung und Sittlichkeitsverbrechen. Am 18. Juli 1947 hieß es u. a. in den „Amtlichen Nachrichten für Euskirchen“:

„In den späten Abendstunden des 10. Juli 1947 wurde auf der Roitzheimer Straße eine Frau vergewaltigt. Der Täter wurde ermittelt und wird sich wegen seiner Straftat vor dem Richter zu verantworten haben.“

 

Kriminalität in der Nachkriegszeit 5a

 

Fortsetzung folgt...

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